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Heidelberger Lügen

Heidelberger Lügen

Titel: Heidelberger Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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vor mir her durch lange, neonbeleuchtete Flure, an offen stehenden Türen vorbei, hinter denen telefoniert, getippt, dann und wann auch gelacht wurde. Von irgendwo duftete Kaffee. Ein Ungetüm von Kopierer erzeugte mit rasender Geschwindigkeit Altpapier. Schließlich machte die Empfangsdame Halt, schloss eine Tür auf und ließ mir mit einer angewiderten Bewegung den Vortritt.
    Der Raum, den McFerrin sich mit seinem Ski fahrenden Kollegen geteilt hatte, mochte dreißig Quadratmeter groß sein und war bis unter die Decke voll gestopft mit elektronischen Geräten und Computern. Einige Palmtops lagen herum, Werkzeuge, deren Zweck sich mir nicht erschloss, ein Stereo-Mikroskop, eine große Leuchtlupe. Es roch nach fauligen Äpfeln und Zitronendrops. Die Lüftung rauschte leise.
    McFerrins Schreibtisch war in der Nähe des Fensters zwischen zwei Labortische geklemmt. Die Fläche war aufgeräumt, die Schubladen unverschlossen und ordentlich.
    »War er immer so?«
    Fragend zog sie die Stirn kraus.
    »Hat er abends immer seinen Schreibtisch so sauber aufgeräumt, bevor er heimgefahren ist?«
    Sie nickte langsam. »Ich glaube schon.«
    Frau Knorr war eine kleine, ungewöhnlich geschmackvoll gekleidete Dame, die hätte attraktiv sein können, wenn sie eine Spur freundlicher geguckt hätte. Sie schien mich ebenso zu hassen wie ihren Job und ihre Kollegen sowieso.
    Im Schreibtisch fand ich nichts, was mir einen Hinweis auf McFerrins Privatleben hätte geben können.
    »Das machen Sie wegen der Fingerabdrücke, nicht wahr?«, meinte sie, als sie bemerkte, dass ich alles nur mit einem Taschentuch in der Hand berührte.
    »Stimmt.« Ich schob die Schubladen wieder zu. »Ich werde die Tür versiegeln. Später kommen ein paar Kollegen und sehen sich alles nochmal genauer an. So lange darf der Raum nicht betreten werden.«
    Zum ersten Mal lächelte sie und entblößte dabei zwei Reihen kleiner, gefährlich spitzer Zähne.
    »Würden Sie den PC für mich hochfahren? Ich würde gerne einen Blick auf die Sachen werfen. Termine, E-Mails und so weiter.«
    »Aber nur, wenn Sie dem Doktor Unterweger nichts verraten«, sagte sie immer noch lächelnd und machte sich mit flinken Fingern an die Arbeit. In McFerrins elektronischem Kalender war für Montagabend nichts eingetragen. Unter seinen Notizen und Adressen nichts Privates. Keine E-Mails, die nichts mit seiner Arbeit zu tun hatten.
    Wir gingen zurück.
    »Gen-Sequenzer, hat das irgendwas mit Gentechnik zu tun?«, fragte ich.
    »Schon.« Sie nickte ernst. »Das ist wohl das große Geschäft der Zukunft. Ob es einem passt oder nicht.«
    »Und nun werden Sie den armen Herrn Meyers aus dem Urlaub zurückzitieren?«
    »Den Teufel werd ich«, erwiderte sie halblaut. »Der hat sich seine Ferien verdient. Seit die neue Geschäftsleitung da ist, werden wir herumschikaniert, dass es einen graust. Wenn der Unterweger ihn hier haben will, dann soll er ihn gefälligst selber suchen.«
    »Ist er wirklich in Österreich? Wir bräuchten vielleicht seine Aussage. Möglich, dass er weiß, wohin McFerrin am Montag wollte.«
    »Er hat zumindest gesagt, dass er nach Österreich wollte, und zwar mit dem Auto, damit er unabhängig ist, und sich irgendwo ein Zimmer nehmen, wo genug Schnee liegt.«
    »McFerrin war komisch«, sagte sie, als wir die Empfangshalle wieder betraten. Die Tür stand immer noch halb offen, und inzwischen war es eisig kalt geworden am Arbeitsplatz der armen Frau. »Ich hab ihn nicht gemocht.«
    »Warum nicht?«
    »Irgendwie – wie soll ich sagen – war er schleimig.« Sie drückte mir kurz die Hand zum Abschied. »Einer von denen, die so Witze machen, über die nur sie selber lachen können. Und manchmal, da hat er einen angeguckt, als hätte man vergessen, die Bluse zuzuknöpfen.«
    »Hat er Sie belästigt?«
    »Nicht direkt. Aber trotzdem, ich war immer froh, wenn ich ihn nicht hab sehen müssen.«
    Als ich über den Parkplatz lief, den Mantel mit beiden Händen zuhaltend, kam ich an einem silberfarbenen Alfa Romeo Spider vorbei. Ich machte kehrt.
    »Wem gehört das Auto da draußen?«
    »Der Alfa? Doktor Unterweger. Wieso?«
     
    Zurück im Büro bat ich Sönnchen, ein Fax an die zuständigen österreichischen und schweizerischen Behörden zu schicken. Wenn dieser Herr Meyers dort ein Hotelzimmer genommen hatte, dann musste er einen Meldezettel ausfüllen, und in diesem Fall würden wir ihn in zwei, spätestens drei Tagen geortet haben.
    Vangelis kam mit Neuigkeiten. Die zweite,

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