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Heidelberger Lügen

Heidelberger Lügen

Titel: Heidelberger Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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eingehendere Untersuchung der Stelle, wo der Täter McFerrins Leiche in den Neckar befördert hatte, hatte immerhin einen halbwegs brauchbaren Fußabdruck ergeben, der mit einiger Wahrscheinlichkeit von einem Puma-Sportschuh der Größe vierundvierzig oder fünfundvierzig stammte. McFerrin hatte weiche italienische Slipper mit Kreppsohlen getragen.
    »Fünfundvierzig ist exakt Hörrles Schuhgröße, hat Sven herausgefunden«, sagte Vangelis. »Womöglich liegt er doch nicht so falsch mit seiner Theorie?«
    Bei seiner Flucht hatte Hörrle zwar Lederschuhe mit glatten Sohlen getragen, aber warum sollte er sich inzwischen nicht irgendwo ein Paar Sportschuhe besorgt haben? Bald würden wir es wissen. Ich rechnete damit, ihn in wenigen Tagen selbst vernehmen zu können. Auch für einen abgebrühten Burschen wie ihn ist es nicht leicht zu ertragen, ständig unterwegs zu sein. Nirgendwo ohne Risiko in einem Hotel absteigen zu können, keine Nacht ruhig schlafen, keinen bekannten Menschen kontaktieren zu dürfen. Vermutlich war er längst über irgendeine Grenze. Aber auch das würde ihm nicht helfen. Interpol hatte schon seit gestern alle notwendigen Informationen über ihn und sein mutmaßliches Fahrzeug in den Fahndungscomputern.
    Meine Stimmung schwankte ständig zwischen flirrender Vorfreude wegen der kommenden Tage und Nächte mit Theresa und drückendem Gewissen, weil ich meine Vaterpflichten einmal mehr vernachlässigte. Natürlich hatte Theresa Recht. Natürlich waren meine Töchter alt genug, zwei Tage ohne mich zu überstehen. Aber nicht einmal daran, den Kühlschrank ordentlich zu füllen, hatte ich gedacht. Vermutlich würden sie sich wieder nur von Nutella-Toast ernähren.
    Als Ausrede hatte ich ihnen etwas von einer wichtigen Sitzung in Stuttgart erzählt, zu der ich leider Gottes müsse. Ich hatte ihnen erlaubt, mich jederzeit und auch wegen unwichtiger Dinge auf dem Handy anzurufen. Beunruhigenderweise hatten sie sich jedoch vor allem dafür interessiert, wann genau ich am Sonntag zurück sein würde. Meine Antwort »Spät vermutlich« hatten sie mit schlecht verhohlener Befriedigung zur Kenntnis genommen.
    Den Nachmittag verbrachte ich in einer sterbenslangweiligen Besprechung. Theresa erwartete mich um sechzehn Uhr am Hauptbahnhof, und jede Minute schien heute doppelt so lange zu dauern wie sonst. Draußen wurde das Wetter von Stunde zu Stunde besser. Mittags war auf einmal die Sonne wieder durchgebrochen, die paar Schneeflocken waren im Nu getaut, und den Heidelbergern blieb das Schneeschippen wieder einmal erspart.
    Zwischendurch fiel mir ein, dass ich völlig vergessen hatte, Vanessa Kriegel anzurufen. Vermutlich würde sie sich Gedanken machen, warum ich nichts von mir hören ließ. Aber ich drückte mich vor diesem Gespräch, ohne dass ich hätte sagen können, weshalb.
    Um Viertel vor vier hielt ich es nicht mehr länger aus und erklärte meinen Dienst für beendet. Sönnchen vergaß vor Verblüffung, mir ein schönes Wochenende zu wünschen.
     
    Da stand sie vor mir – Theresa, meine Göttin. Groß gewachsen, elegant gekleidet, die dunkelblonde Lockenpracht leuchtete rötlich in der Spätnachmittagssonne, im Gesicht die Miene einer Frau, die weiß, dass sie schön ist, dass sie begehrt wird. Sie hatte nur leichtes Gepäck dabei. Ein Kosmetikköfferchen und eine kleine Tasche für das Nötigste, wie sie mir nach einem ersten, hastigen Kuss erklärte.
    Wir sahen zu, dass wir fortkamen.
    Theresa setzte eine Sonnenbrille auf, kuschelte sich so in ihren Sitz, dass sie mich ansehen konnte, und machte sich klein. Noch waren wir in Heidelberg, noch bestand die Gefahr, dass uns Leute sahen, die uns nicht zusammen sehen sollten. Schon nach wenigen Minuten ließen wir die Stadt mit dem rostrot leuchtenden Schloss hinter uns, tauchten in den Schatten des schmalen Neckartals ein, und Theresa wurde wieder größer. Merkwürdigerweise liebten wir beide dieses Versteckspiel, das heimliche Getue, das frivole Prickeln der Gefahr.
    Sie kramte eine Kassette aus ihrer Handtasche, schob sie ins Radio. »Das habe ich für uns aufgenommen«, sagte sie, hauchte mir einen feuchten Kuss auf die Wange und rieb wie zufällig eine Brust an meinem Arm. »Ich finde, die Brille steht dir«, meinte sie. »Du siehst damit irgendwie viel intelligenter aus als früher.«
    Ich versuchte, sie an den Haaren zu zerren. Aber sie wich geschickt aus, lachte und tröstete mich mit einem weiteren Kuss. Ich roch ihr Parfüm und konnte den

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