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Heidelberger Lügen

Heidelberger Lügen

Titel: Heidelberger Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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gegeben, weil er im Suff ausgerastet ist. Damals hat er zwar niemanden umgebracht, aber es hat wohl hin und wieder nicht viel gefehlt.«
    »Wann war das? Das Datum, wann ist die Frau gestorben?«
    Zu meiner Überraschung zückte Balke ein elektronisches Gerät, das aussah, als wäre es das Baby meines Laptops. Einige Sekunden tippte er konzentriert darauf herum. Dann hatte er gefunden, was er suchte. »Die Frau ist am Abend des siebzehnten Juni umgebracht worden. Am neunzehnten wurde Hörrle geschnappt. Und seither sitzt er ein. In zwei Wochen sollte der Prozess beginnen.«
    »Was ist das?« Ich deutete auf sein Spielzeug. »Was macht man damit?«
    »Das ist ein PDA. Und damit macht man praktisch alles«, erklärte Balke strahlend. »Notizen speichern, Termine verwalten, Mails verschicken. Hab ich supergünstig bei eBay geschossen.«
    »Telefonieren kann man aber nicht damit, oder?«
    »Aber natürlich«, widersprach er. »Sogar Musik hören und Filme gucken.«
    Plötzlich fühlte ich mich alt. Als er daran ging, mir seine neueste Errungenschaft vorzuführen, winkte ich ab.
    »Was haben wir an Beweisen gegen Hörrle im Fall McFerrin?«
    »Vorläufig gar keine.« Enttäuscht steckte Balke sein Gerätchen wieder ein. »Zeugen für die Tatnacht haben sich noch immer keine gemeldet. Das Einzige, was uns im Augenblick weiterhelfen würde, ist McFerrins Mercedes. Da sollten ja wohl Spuren des Täters drin zu finden sein.«
    »Und der ist verschwunden.«
     
    Horst-Heinrich Lorentz führte mich in einen mit Grünpflanzen überwucherten Wintergarten mit sensationellem Blick auf die Altstadt und den Neckar. Sein Haus war gewiss nicht das größte und teuerste in diesem Viertel, wo sichtlich wohlhabende Menschen wohnten. Aber es war sicherlich ein Vermögen wert. Es lag hoch über der Scheffelstraße, und bei seinem Anblick hatte ich mich unwillkürlich gefragt, ob Hitchcock wohl einmal hier gewesen war. Es erinnerte mich an das Haus in dem Film »Psycho«.
    Eine bereits entkorkte Flasche und zwei zarte, hohe Gläser standen auf dem runden Glastischchen bereit. Wir setzten uns auf bequeme, zufrieden knarrende Korbsessel. In der Flasche befinde sich ein göttlicher Cirò, erklärte mir mein Gastgeber mit schwärmerischer Miene, ein schwerer Rotwein aus Kalabrien.
    »Ein lieber alter Freund schickt mir jedes Jahr sechs Kartons davon.«
    Er füllte die Gläser nur zu einem Drittel. Wir stießen an.
    »Das muss wirklich ein sehr guter Freund sein«, sagte ich nach dem ersten Schluck.
    Lorentz war ein schwerer, gedrungener Mann von Anfang sechzig mit kugelrundem Kopf und kleinen, wachen Augen. »Ich habe seinem Sohn vor langer Zeit einmal das Leben gerettet. Dafür zeigt er sich nun erkenntlich.«
    »Klingt nach einer spannenden Geschichte.«
    »Ich werde sie Ihnen aber nicht erzählen, auch wenn die damit verbundenen Taten längst verjährt sind. Nur so viel: Mein Freund ist ein hohes Tier in der kalabresischen Mafia.«
    »Wahrhaftig kein Wein für alle Tage«, seufzte ich nach dem zweiten Schluck. »Haben Sie heute etwas zu feiern?«
    »Mein Arzt sagt, ich darf nicht mehr so viel trinken. Und so trinke ich eben wenig und dafür besser«, antwortete er ernsthaft.
    Dann erhob er sich noch einmal, ergriff den Stock, auf den er sich schon vorhin gestützt hatte, und ging mit mühsamen, kleinen Schritten davon. Ich tippte auf eine fortgeschrittene Arthrose. Als er zurückkam, brachte er eine Platte mit Käsewürfeln, einige Scheiben dunkles, duftendes Bauernbrot und ein Schälchen Oliven.
    Die Einrichtung des Hauses am Hang über dem Neckar war nicht teuer, sondern kostbar. Erlesene Antiquitäten, schwere, zweifellos echte Teppiche, riesige Ölgemälde. Nichts davon wollte ich auch nur geliehen haben. Aber zu Lorentz passte das alles. Dieser Mann war in einem anderen Haus nicht denkbar.
    »Und ist nicht jeder Tag, den wir erleben dürfen, ein Grund zum Feiern?« Er lächelte mit blitzenden Augen.
    »Womit habe ich das alles verdient?«, fragte ich und spießte eine Olive auf einen hölzernen Zahlstocher. »Sie kennen mich doch überhaupt nicht.«
    Sein Blick war der eines Menschen, der nichts zu verbergen hat. Um seine dunklen Augen bildete sich ein Kranz von Fältchen. »Sie sind mir sympathisch, ist das nicht genug?« Er sah hinaus auf die Lichter der Stadt. Mir wurde bewusst, dass ich dieses Bild schon auf tausend Postkarten gesehen hatte. Aber es hatte dadurch nichts von seinem Charme eingebüßt.
    »Sehen Sie, Herr Gerlach«,

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