Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heidelberger Requiem

Heidelberger Requiem

Titel: Heidelberger Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
Vom Netzwerk:
Produktion wie bei Patrick Grotheer. Und schließlich hatten meine Leute in verschiedenen Verstecken eine Menge kostbaren Schmuck entdeckt, drei teure Armbanduhren und einige andere Dinge, die die Vermutung nahe legten, dass Gardeners Bande nicht nur die Uni heimgesucht hatte.
    Dann fand ich es an der Zeit für die Fortsetzung des Verhörs.
    »Wie geht’s?«, fragte ich gespielt munter, nachdem Gardener sich auf den Stuhl hatte fallen lassen. »Sie sehen ja richtig übel aus. Etwa nicht gut geschlafen?«
    Ich wartete vergebens auf ein Zeichen von Nachgiebigkeit. Meine Beule war schon etwas kleiner geworden und schmerzte kaum noch, wenn ich sie berührte. Ich ließ ihn zwei Minuten warten, dann warf ich ein Foto des Messers auf den Tisch.
    »Kennen Sie das?«
    »Fuck. Nein. Fuck. Nie gesehen.«
    Ich beugte mich vor und sah ihm ins Gesicht. »Wollen wir wetten, dass da Ihre Fingerabdrücke drauf sind?« Natürlich wusste ich es längst. Und nicht nur seine Abdrücke waren darauf. Auch Fussel, die eindeutig aus der Innentasche seiner Lederjacke stammten. Es war ganz sicher sein Messer.
    »Nie gesehen, das Teil.«
    Ich ließ ihm Zeit, das Foto zu betrachten. Dann steckte ich es ein.
    »Herr Gardener, Sie sind doch ein intelligenter Kerl. Sie können rechnen. Zählen wir mal zusammen: Dieses Messer gehört Ihnen und ist eindeutig die Tatwaffe. Der Knebel stammt aus Ihrer Yamaha. Sie waren zum Tatzeitpunkt im Emmertsgrund oben, wir haben Zeugenaussagen. Ehrlich, es sind schon Leute wegen wackligerer Indizien lebenslänglich im Knast gelandet.«
    »Ich war’s nicht.«
    »Das muss ich irgendwo schon mal gehört haben«, lachte ich.
    Er sah noch schlechter aus als gestern. Eingesperrt zu sein ist für Ungeübte eine Folter. Nahezu die einzige Folter, die bei uns erlaubt ist. Die fiebrige Unruhe in seinem Blick hatte tiefer Müdigkeit Platz gemacht. Er roch, als hätte er in seinen Kleidern geschlafen. Bald würde er so weit sein.
    »Ehrlich. Ich war’s nicht. Ehrlich.«
    Ich legte mein Foto wieder auf den Tisch. »Aber das hier ist Ihr Messer?«
    Er nickte gequält.
    »Und der Putzlappen stammt aus Ihrer Maschine?«
    »Trotzdem war ich’s nicht.«
    »Wie wär’s, wenn Sie mir zur Abwechslung mal Ihre Version erzählen würden?«
    Er rieb sich mit beiden Händen das unrasierte Gesicht. »Die glauben Sie mir ja sowieso nicht.«
    »Lassen wir es auf einen Versuch ankommen.«
    Er sollte Recht behalten. Seine Geschichte war so abenteuerlich, dass sie nicht einmal witzig war. Er sei zu Patrick Grotheer gefahren, entnahm ich seiner wirren Erzählung, um mit ihm zu sprechen, wegen irgendwelcher geschäftlicher Dinge, über die er keine näheren Angaben machen wollte. Ich bohrte nicht nach. Das hatte Zeit. Er habe sein Motorrad in der Tiefgarage neben dem Fahrstuhl abgestellt und abgeschlossen. Unmittelbar darauf habe er einen harten Schlag gegen den Hinterkopf bekommen und das Bewusstsein verloren. Und als er nach unbestimmter Zeit in einer staubigen, dunklen Ecke hinter dem Fahrstuhl wieder zu sich gekommen sei, habe er sein Messer nicht mehr gehabt. Dass auch der Lappen weg war, wollte er nicht einmal bemerkt haben. Daraufhin habe er oben Sturm geläutet, von innen laute Musik gehört, aber niemand habe geöffnet. So sei er schließlich mit brummendem Schädel und Wut im Bauch wieder weggefahren und habe von unterwegs noch einmal angerufen. Aber Grotheer habe nicht abgenommen.
    »Das mit dem Anruf, das stimmt immerhin«, bestätigte ich. »Den Rest glaubt Ihnen nicht mal Ihre Mutter.«
    »Lassen Sie Mom aus dem Spiel!«, brüllte er plötzlich. »Die hat nichts damit zu tun, verdammt! Nichts, verstehen Sie? Nichts!« Im Takt seiner Worte drosch er mit beiden Händen auf den Tisch.
    Na endlich. Er begann, Nerven zu zeigen. Ich lehnte mich zurück und gab mir keine Mühe, mein Grinsen zu unterdrücken. »Okay. Nochmal von vorn und der Reihe nach, damit ich auch alles richtig verstanden habe.«
    Wir gingen seine Geschichte dreimal durch. Er blieb bei der ersten Version, verwickelte sich nicht in Widersprüche.
    »Wenn die Story stimmt, dann haben Sie eine Beule oder wenigstens eine Schramme. Zeigen Sie mir die mal.«
    »Da war keine Beule, verdammt. Er muss mit was ganz Weichem zugeschlagen haben. Hab ich mal im Fernsehen gesehen, zum Beispiel mit ’nem Telefonbuch geht das. Echt, das geht! Hab noch tagelang Kopfweh gehabt.«
    »Wir sind hier aber nicht im Fernsehen.«
    Ich ließ ihn rauchen und spendierte ihm einen Kaffee.

Weitere Kostenlose Bücher