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Heidelberger Requiem

Heidelberger Requiem

Titel: Heidelberger Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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Offenbar war sie sich völlig sicher, dass ich ihr folgte.
    Im zweiten Obergeschoss öffnete sie eine Wohnungstür, machte Licht. Der Name auf dem polierten Messsingschild an der Tür lautete Bergengrün. Es war unverkennbar eine Single-Wohnung, die Wohnung einer Frau. Lebte sie in Scheidung? Und was sollte ich nun hier? Mir ihre Schmetterlingssammlung ansehen? Sie wandte sich um.
    »Was wollten Sie mir denn zeigen?«, fragte ich heiser.
    Sie ergriff meine Hand, führte sie unter ihren Rock. Sie trug kein Höschen. »Das«, sagte sie sehr leise und sehr ernst. Ich hatte seit elf Monaten keine Frau gehabt.
     
    Später angelte sie ein Päckchen Zigaretten aus ihrer geräumigen Handtasche und rauchte. Es war eine französische Marke. Sie wirkte entspannt, und ich erwartete, dass sie jede Sekunde zu schnurren begann. Wir lagen auf dem Rücken und sahen dem Rauch nach. Ich hatte Vera gegenüber ein schlechtes Gewissen, weil ich sie zum ersten Mal seit ihrem Tod betrogen hatte. Und gegenüber dieser Unbekannten neben mir, die sich so selbstverständlich an mich schmiegte, weil ich eben an Marianne gedacht hatte.
    Ihr Handy trillerte, sie rückte ab von mir und nestelte es aus der Handtasche. Ich streichelte ihren Rücken, folgte mit dem Finger der eleganten Linie ihrer Wirbelsäule.
    »Hallo, Lieber«, hörte ich sie mit rauchiger Stimme sagen. »Doch, mir geht es gut. Sehr gut, ja. Bei Inge. Ja, wir quatschen noch ein bisschen. Nein, du wirst nicht erfahren, worüber. Ja, ich werde auf mich aufpassen. Mach dir keine Sorgen. Nacht, Lieber. Gute Nacht.« Sie rollte sich auf die Seite und kuschelte sich an mich. »Das war mein Mann«, hauchte sie und schnurrte nun wirklich wie eine satte Katze.
    »Ihr Mann?«, fragte ich mit belegter Stimme.
    »Der einzige Reiz der Ehe besteht darin, dass sie beide Partner zwingt, ein Leben in der Verstellung zu führen.«
    »Das habe ich schon mal irgendwo gelesen.«
    »Sie lesen?«, fragte sie schläfrig lächelnd.
    »Hin und wieder.« Ich setzte mich auf und machte ein förmliches Gesicht. »Verehrte Schöne. Da ich hier unverkennbar der Ältere bin, möchte ich mir erlauben, nach allem, was zwischen uns vorgefallen ist, Ihnen hiermit das Du anzutragen«, erklärte ich und reichte ihr die Hand.
    »Wozu?«, fragte sie erstaunt. »Sartre und Simone de Beauvoir haben sich zeit ihres Lebens gesiezt. Und das, obwohl sie verheiratet waren!«
    Ich warf mich wieder neben sie. Sie begann, mich zart und kenntnisreich zu streicheln. »Außerdem werden wir auf diese Weise nicht in Verlegenheit kommen, falls wir uns einmal … im richtigen Leben begegnen sollten«, hauchte sie heiß in mein Ohr. Ihre Hand wanderte abwärts. Als ich schon wieder unübersehbar in Stimmung kam, klingelte erneut ein Handy. Dieses Mal war es meines. Ich brauchte einige Sekunden, bis ich klar denken konnte.
    »Wer ist da?«, fragte ich ungeduldig, weil ich den Namen nicht verstanden hatte, und schob ihre Hand beiseite.
    »Knobloch, POM Knobloch. Revier Akademiestraße in Karlsruhe.«
    Ich erinnerte mich an einen rotgesichtigen Gemütsmenschen mit dröhnender Stimme.
    »Und was gibt’s?«
    »Sie sind doch der Gerlach? Ich spreche doch mit Kriminalrat Gerlach? Der früher hier bei der Kripo war?«
    »Richtig.«
    »Wir haben hier … also … hier sitzen zwei hübsche Mädchen. Haben wir aus dem Kroko-Keller gefischt, aus der Disco. Sie seien sechzehn, behaupten sie. Glauben wir aber nicht. Und außerdem wären sie dann immer noch zu jung dafür, nicht wahr. Und Papiere haben sie auch keine dabei.« Stöhnend fiel ich in die Kissen. »Und jetzt behaupten die zwei Hüpfer doch tatsächlich, sie seien Ihre Töchter. Stimmt das?«
    »Wie heißen sie denn?«
    »Sie verweigern die Aussage zur Person und verlangen einen Anwalt. Sie wissen aber nicht mal, was das ist, ein Anwalt. Und jetzt verlangen sie, dass wir Sie anrufen.«
    »Wie sehen sie denn aus?«
    »Hellblond, rote Backen, schmaler Mund«, antwortete er zögernd. »Größe knapp einssiebzig, würd ich sagen. Und Zwillinge sind sie, das sieht man.«
    »Kann man sie irgendwie unterscheiden?«
    »Überhaupt nicht.«
    »Dann sind sie es.«
    »Und was sollen wir jetzt machen mit den zwei Hübschen?«
    »Erschießen«, sagte ich nach kurzem Überlegen. »Erschießen Sie sie einfach.«
    »Hä?«
    »Sie heißen Sarah und Louise.«
    »Sarah und Louise«, wiederholte er. Plötzlich lachte er los: »Dann ist Saarlouis bestimmt ihre Patenstadt, was?«
    »Erschießen Sie sich gleich

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