Heidelberger Requiem
Geschäftsführer von Marvenport and Partners und die Präsidentin des Stiftungsrats, die tragen nicht zufällig den gleichen Namen, die sind verheiratet!«
»Und was schließen wir daraus?«
Mit kläglicher Miene hob er die Schultern. »Wenn ich das wüsste. Hab nur gedacht, ich muss Ihnen das sagen.«
Er begann mir auf die Nerven zu gehen. »Hat das irgendwas mit unserem Fall zu tun? Unterstellen Sie Grotheer illegale Geschäfte? Oder wozu erzählen Sie mir das?«
»Ich werd einfach das Gefühl nicht los, dass …«
Ich beugte mich vor. »Herr Balke, wir kümmern uns hier um Tatsachen. Ihre Gefühle sollten Sie sich für die Freizeit aufheben.« Er verschwand beleidigt. Aber für solchen Unsinn hatte ich jetzt wirklich keine Zeit.
Als ich mich zu wundern begann, wo meine Töchter blieben, hörte ich, sie seien in einem Streifenwagen in der Stadt unterwegs.
»Bisschen spazieren fahren. So lernen sie auch gleich die Gegend kennen, nicht wahr?«, erklärte mir Sönnchen gut gelaunt.
Ich ordnete an, dass die Mädchen künftig von einem Team abzuholen waren, dessen Mitglieder verheiratet und über fünfzig oder noch besser weiblichen Geschlechts zu sein hatten. Sönnchen war verstimmt und vergaß vermutlich mit Vorsatz meinen Nachmittagskaffee.
Im Lauf der folgenden Stunden sammelten sich die Fakten auf meinem Schreibtisch. Nach seinem Ausscheiden aus dem Polizeidienst war Volker Krahl mehrfach umgezogen. Einige Jahre hatte er in Sinsheim als Wachmann beim Technik-Museum gearbeitet, später eine Zeit lang als glückloser Privatdetektiv in Eberbach. Nur wenige seiner wechselnden Nachbarn erinnerten sich an ihn, und diese wenigen taten es ungern. Verschlossen sei der Herr Krahl gewesen, um nicht zu sagen feindselig. Zur Arbeit sei er gegangen, irgendwann wieder heimgekommen und in seiner Wohnung verschwunden. Oft sei er laufen gewesen, lange Strecken, und immer allein. Die Eltern waren tot, irgendwo schien es noch einen Bruder zu geben, weitere Verwandte waren nicht aufzutreiben.
Zuletzt hatte er anderthalb Jahre in Neckargemünd gewohnt und eine offenbar nicht schlecht gehende Firma für Sicherheitsdienstleistungen mit drei Angestellten betrieben. Seine ehemaligen Mitarbeiter sagten aus, er habe das linke Bein ein wenig nachgezogen.
Irgendwann vor dieser Zeit musste er also einen Unfall gehabt haben. Oder eine beginnende Arthritis. Ich wies Runkel an, Krahls damaligen Arzt aufzutreiben und vor allem den Bruder ausfindig zu machen.
Und dann, im November vor zwei Jahren, verlor sich plötzlich Krahls Spur. Er verkaufte die Firma, kündigte seine Wohnung, zeigte den Umzug aber dem Meldeamt nicht an. Ich vermutete, dass er zu diesem Zeitpunkt begann, seine Rache vorzubereiten.
Nikola Krahl war neun Tage nach dem Tod ihres geliebten jüngeren Bruders auf der Bundesstraße zwischen Eberbach und Beerfelden ungebremst gegen einen Baum gerast. Ob ein Zusammenhang zwischen den beiden Todesfällen bestand, wusste niemand. Ich glaubte zu ahnen, wie Krahl sich damals gefühlt hatte.
»Neun Tage?« Balke blieb das Gähnen im Hals stecken.
Ich wühlte in meinem Papierberg. »Uwe Krahl – zehnter September, Nikola am neunzehnten.«
»Patrick Grotheer, das war am siebenundzwanzigsten August, Sylvia am sechsten September«, sagte Balke sehr langsam. »Wenn ich richtig rechne, dann sind das auch neun Tage!«
»Was ist eigentlich mit seiner Frau?«, fragte Vangelis.
»Was soll mit ihr sein?«, fragte ich zurück. Aber in der nächsten Sekunde verstand ich, was sie meinte. Ich sah Runkel an.
Der wusste nichts Genaues. »Ist dann auch irgendwann gestorben, glaub ich. Irgendwann später.«
Ich drückte den Rufknopf, aber Sönnchen meldete sich nicht. Offenbar war sie mir immer noch böse. Schließlich fand ich im Telefonverzeichnis die Nummer des Archivs, und Sekunden später hatte ich die Mitarbeiterin am Apparat, die mit Vornamen Gerda hieß.
»Die Frau?«, fragte sie gedehnt. »Stimmt, die ist auch gestorben.«
»Wann?«
»Ziemlich bald, nachdem das mit den Kindern war. Das Leben genommen hat sie sich, die arme Frau. Ist ja auch kein Wunder, nach so einer schlimmen Geschichte, gell?«
»Was heißt das, ziemlich bald? Ein Jahr, zwei?«
»So genau weiß ich das nicht mehr. Eine Woche, würd ich sagen. Ja, eine Woche später vielleicht.«
Mir war, als würde mir jemand einen Eimer Eiswasser über den Rücken schütten. Die anderen hatten mitgehört. Vangelis wurde blass und biss die Zähne zusammen.
»Dass die
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