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Heidelberger Requiem

Heidelberger Requiem

Titel: Heidelberger Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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Bankraub vorübergehend ruhen zu lassen. So konnte ich meine Soko wieder um zwei Personen verstärken.
    Dann fuhr ich nach Neuenheim hinaus. Frau Grotheer bat mich ins Wohnzimmer, das ich inzwischen gut kannte, reichte mir eine kalte Hand und brauchte eine Weile, um zu verstehen, was ich ihr zu erklären versuchte. Ich hatte mir nicht vorstellen können, dass sie noch blasser werden konnte als bei unserem ersten Zusammentreffen.
    »Natürlich ist das vorläufig alles nur graue Theorie, Frau Professor. Vermutungen, Befürchtungen. Aber ich möchte den letzten Beweis nicht abwarten.«
    Auf meinen Vorschlag umzuziehen, sich irgendwo zu verstecken, möglichst weit weg, ging sie nicht ein.
    »Wie ist sie gestorben?«, fragte sie stattdessen.
    »Tabletten.«
    Sie nickte, als wäre dies die erwartete Antwort gewesen. »Ja, das ist wohl das Einfachste«, sagte sie leise.
    »Frau Professor, wir … Ich möchte Sie wirklich bitten …«
    Mit einem weisen Lächeln schüttelte sie den Kopf. »Machen Sie sich um mich keine Sorgen.«
    »Ich werde ab sofort ständig einen Wagen mit zwei Beamten vor Ihrer Tür haben. Wenn irgendwas ist, wenn Sie sich unsicher fühlen, wenn Sie den leisesten Verdacht haben, etwas könnte nicht so sein, wie es sein sollte, dann wählen Sie entweder die eins-eins-null, oder noch besser, Sie springen vor die Tür und rufen um Hilfe. Fünf Sekunden später werden Sie nicht mehr allein sein. Sie brauchen also wirklich keine Angst zu haben.«
    »Machen Sie sich um mich mal keine Sorgen«, wiederholte sie ruhig. Nun lächelte sie wirklich, zum ersten Mal in meinem Beisein. Es war das traurigste Lächeln, das ich je gesehen hatte. »Und wovor sollte ich jetzt noch Angst haben?«
     
    »Was schenken Sie eigentlich Ihren Töchtern?«, fragte mich Sönnchen kühl bei meiner Rückkehr.
    »Wieso soll ich ihnen was schenken?«
    »Übermorgen haben sie Geburtstag. Da sollten Sie ihnen vielleicht eine Kleinigkeit schenken.«
    Ich sank in meinen Sessel. Geburtstag! Übermorgen! Und was, um Gottes Willen, schenkt man pubertierenden Mädchen? Was wusste ich schon von ihnen? Über die Musik, die sie mochten, wusste ich nur, dass viel Rhythmus drin war und in den Texten merkwürdig häufig Worte wie »Motherfucker« vorkamen. Ich kannte nicht ihre Vorlieben bei Schmuck oder Kosmetika, nicht mal ihre Kleidergrößen. All diese Dinge hatte Vera immer erledigt. Mit traumwandlerischer Sicherheit hatte sie das gefunden, was die Zwillinge sich gerade am meisten wünschten. Oft, bevor sie es selbst wussten. Drei Dinge würde es nicht geben, das stand schon fest: Genehmigungen für Tattoos, Piercings und Haustiere.
    »Sönnchen«, fragte ich kleinlaut. »Sie wären nicht vielleicht so lieb und …?«
    Schweigend stolzierte sie davon und schloss die Tür geräuschvoll hinter sich. Ich würde wohl noch ein paar Tage zu tun haben, um sie wieder milde zu stimmen. Und irgendwann würde ich auch herausfinden, was ich mir hatte zuschulden kommen lassen.
    Grotheer erreichte ich nach vielen Versuchen schließlich in seinem Hotel in Budapest. Seine Stimme klang gehetzt, und ich musste ihm meine Theorie dreimal erklären.
    »Natürlich erinnere ich mich an diese dumme Sache damals«, sagte er schließlich aufgebracht. »Und jetzt glauben Sie …?«
    »Der Verdacht ist leider nicht von der Hand zu weisen. Diese Parallelität der Todesarten, selbst der Zeitabstand, das müsste schon ein unglaublicher Zufall sein.«
    Für Sekunden schwieg er. Aus dem Hintergrund hörte ich Straßengeräusche. »Das ist ja schrecklich.« Zum ersten Mal glaubte ich, Betroffenheit in seiner Stimme zu hören. »Sie werden gut auf meine Frau aufpassen?«
    »Mit allem, was wir haben. Aber ich würde sie dennoch lieber an einen sicheren Ort schaffen. Könnten Sie ihr nicht gut zureden?«
    »Damit würden wir seinen Zeitplan zunichte machen, ihn aber wohl kaum von seinem Ziel abbringen.«
    »Wir würden Zeit gewinnen, um ihn zu fassen. Das würde mir fürs Erste reichen.«
    »Ich will es versuchen«, sagte er schließlich mutlos. »Aber meine Frau kann recht dickköpfig sein.« Ich hörte seinen ruhigen Atem. »Ich komme zurück, sowie ich kann. Passen Sie gut auf sie auf. Wir haben hier am Sonntag noch zwei Ausschusssitzungen, bei denen ich leider unabkömmlich bin. Am Montag werde ich zurück sein.«
     
    »Mädels, übermorgen habt ihr ja Geburtstag«, rief ich während der Heimfahrt und bemühte mich um einen fröhlichen Ton. »Was sollen wir denn da Schönes

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