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Heidelberger Wut

Heidelberger Wut

Titel: Heidelberger Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolgang Burger
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unterbrach ich ihn und legte einfach auf.
    Eine halbe Stunde später lag ein Blatt auf meinem Schreibtisch, auf dem Sönnchen mit ihrer reinlichen Handschrift vier Namen notiert hatte: Sebastian Kohl, Ferdinand Vollmer, Ralf Zweibrodt und David Braun.

26
    Während Sönnchen unentwegt telefonierte, versuchte ich, Klara Vangelis oder Sven Balke zu erreichen. Beide seien unterwegs, hörte ich. Sie würden sich bei mir melden, sobald sie zurück seien. Minuten später stand mit roten Kopf meine Sekretärin vor mir.
    »Sieht aus, als wäre dieser David Braun vom Erdboden verschwunden«, erklärte sie mir. »Bei seinen Eltern erreicht man keinen. Vielleicht ist er an der Uni? Um diese Zeit haben die doch bestimmt Vorlesungen? Aber wie sollen wir ihn da finden?«
    »Wir schreiben ihn zur Fahndung aus«, entschied ich, »das volle Programm.«
    Zwei seiner damaligen Freunde waren inzwischen weggezogen, brachte Sönnchen in der nächsten Stunde in Erfahrung, studierten irgendwo. Mit der Mutter von Ferdinand Vollmer, dem damaligen Besitzer des Fiat, telefonierte ich selbst. Er war fast auf den Tag genau drei Jahre nach jener Nacht bei einem Autobahnunfall in der Nähe von Bensheim ums Leben gekommen, berichtete sie mir. Als sie mich fragte, warum ich ihren Sohn denn sprechen wollte, erfand ich irgendeine harmlose Lüge.
    Irgendwann lief ich in die Kantine, um eine Kleinigkeit zu essen. Sönnchen bewachte unterdessen das Telefon und versprach, mich per Handy zu informieren, sobald sich etwas tat.
    Es tat sich nichts. Nicht während meiner kurzen Mittagspause, nicht in der Stunde danach. Ich rannte in meinem Büro herum, versuchte alle Augenblicke, mit irgendwem zu telefonieren, aber alle schienen auf einmal verschwunden zu sein. David Braun war unauffindbar, obwohl inzwischen eine Menge Polizei auf seiner Fährte war. Er war nicht an der Uni und nicht zu Hause, keiner seiner Kommilitonen und Freunde wusste etwas über seinen Verbleib. Auch Vangelis und Balke blieben verschwunden. Weder Seligmann noch seine Nachbarin gingen ans Telefon. Ich dirigierte eine Streife hinaus nach Eppelheim. Sie trafen jedoch niemanden an.
    Es war lange nach vierzehn Uhr, als endlich Sönnchen betreten hereinkam.
    »Jetzt ist klar, warum wir den David nicht verhaften können«, sagte sie kopfschüttelnd. »Und ich weiß jetzt auch, wo die Frau Vangelis und der Herr Balke die ganze Zeit stecken.«
    Ich sah sie fragend an.
    »Die sitzen alle drei seit Stunden im Verhörzimmer. Frau Vangelis hat den jungen Herrn Braun schon am Vormittag festnehmen lassen, wegen dem Bankraub. Sie haben nämlich seine Spuren an dem Handy gefunden. An diesem Handy, das im Auto von dem Seligmann …«
    Sekunden später stand Klara Vangelis vor mir. Ich hatte sie aus dem Verhör gerufen, damit sie mir Bericht erstattete.
    »Er hat praktisch sofort gestanden«, sagte sie sichtlich gelöst. »Anfangs ging es ein bisschen zäh. Aber dann hat er geredet. Manches ist noch unklar, aber im Großen und Ganzen sieht es schon ganz rund aus. Wir klären nur noch ein paar Details.«
    »Wer war die treibende Kraft? Kräuter oder er?«
    »Er sagt, er selbst. Aber irgendwie gelingt es mir nicht, ihm das zu glauben. Manchmal hat er auch regelrechte Erinnerungslücken. Vielleicht gönnen wir ihm erst mal eine Pause.«
    »Ich hätte ihn auch noch gerne kurz gesprochen.«
    Ich berichtete Vangelis von den neuesten Entwicklungen im Fall Jule Ahrens. Und was ich an ihr noch selten beobachtet hatte: Sie wurde blass und verlor sogar vorübergehend die Sprache. »Der?«, fragte sie schließlich. »Unmöglich!«
    »Ich kann es selbst kaum glauben. Aber die Indizien sind eindeutig. Als Seligmanns Nachbar hat er vermutlich mitbekommen, was damals lief. Vielleicht hat er mal zufällig beobachtet, wie Seligmann seine junge Geliebte heimlich in sein Haus chauffierte.«
     
    David Braun gestand sofort und in jedem Punkt. Das ganze Verhör dauerte nicht einmal eine halbe Stunde. Zwischendurch weinte er, wie ich noch selten einen Menschen weinen sah. In den vergangenen zehn Jahren habe er zwei Suizidversuche überlebt, gestand er uns. Bei einem davon war er mit dem Moped unter einen Lkw geraten, woher seine leichte Behinderung am linken Bein rührte. Nacht für Nacht habe er träumen müssen von jener einen Stunde, in der er nicht nur Jules, sondern auch sein eigenes Leben zerstört hatte. Nichts hatte geholfen, weder Alkohol noch andere Drogen, weder sein hemmungsloses Engagement für die Armen und

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