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Heidelberger Wut

Heidelberger Wut

Titel: Heidelberger Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolgang Burger
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Schreibtischecke und erhob sich. »Wenn unsere Überlegungen stimmen, dann suchen wir ab sofort eine Verbindung zwischen Seligmann und Bonnie and Clyde.«
     
    Als die beiden gegangen waren, legte ich die Füße auf meinen Schreibtisch, zog den Laptop auf meinen Schoß und ließ meinen Sessel gemütlich nach hinten kippen. Seit unsere Computer vernetzt waren, konnte ich jederzeit den Terminkalender meines Chefs einsehen. Das hatte ich natürlich schon gestern getan, aber auch jetzt wurde ich wieder enttäuscht – für das kommende Wochenende hatte Liebekind nichts eingetragen. Also war er zu Hause, und aus meinem geplanten Kurzurlaub mit Theresa würde nichts werden. Im E-Mail-Eingang befand sich außer einigen Angeboten für preiswerte Penisverlängerung und todsicher wirkende Potenzmittelchen nach uraltem indischen Geheimrezept nichts von Interesse. Ich schickte Theresa eine kurze Mail mit ein paar virtuellen Küsschen und dem erneuten Hinweis, dass ich am Wochenende für alle Arten von Schandtaten zur Verfügung stünde.
    Nebenan diskutierte Sönnchen eifrig am Telefon über Hausmittel gegen Schnupfen.
    Nur zum Zeitvertreib suchte ich im Internet ein wenig nach Rezepten für das Wochenende. Theresa liebte die französische Küche, aber das Angebot an appetitanregenden Menüvorschlägen war so gewaltig, dass ich erst den Überblick und bald auch die Lust verlor.
    So stellte ich den Laptop an seinen Platz zurück und betrachtete eine Weile missmutig die Unordnung auf meinem Schreibtisch. Schließlich nahm ich die Füße vom Tisch und zog mein Jackett über. Die Unordnung hatte Zeit bis morgen, und um die Menüfolge am Wochenende konnte ich mich auch noch kümmern, wenn klar war, dass Theresa wirklich kam.
    Mein Vorzimmer duftete nach Eukalyptus und Kamille.
    »Ich bin mal für eine Weile außer Haus«, erklärte ich meiner Sekretärin. »Wenn Liebekind anruft, bin ich bei der Staatsanwaltschaft.«
    »Und wenn er nicht anruft?«, fragte sie aus tränenden Augen blinzelnd. »Wo sind Sie dann?«
    »Bei diesem Bankmenschen in Eppelheim, der letzten Monat überfallen wurde.«
    »Ich werd’s niemandem verraten.« Meine unübertreffliche Sekretärin tupfte sich die entzündete Nasenspitze. »Aber nur, wenn Sie mir hinterher erzählen, was Sie rausgefunden haben!«
     
    Heribert Braun trieb Sport, das sah ich sofort. Allein vom Rasenmähen hatte er diese breiten Schultern nicht. Blick und Händedruck waren die eines Menschen, der im Großen und Ganzen mit sich und seinem Leben zufrieden ist. Obwohl ein paar Jahre jünger als ich, hatte er schon eine beachtliche Stirnglatze. Vielleicht als Ausgleich trug er einen kräftigen und sauber ausrasierten Schnurrbart im gut gebräunten Gesicht. Die kleine Sparkassen-Filiale, der er vorstand, lag schräg gegenüber dem Eppelheimer Wasserturm an der Hauptstraße. Draußen im Schalterraum, den ich eben durchquert hatte, warteten zwei adrette junge Damen und ein älterer, ein wenig griesgrämig dreinschauender Mann dezent gähnend auf Kundschaft. Braun konnte seine Leute durch gläserne Wände im Auge behalten. Nur deshalb trauten sie sich vermutlich nicht, sich zu setzen.
    »Was macht Ihre Verletzung?« Ich konnte keinen Verband entdecken.
    »Nicht der Rede wert.« Demonstrativ machte er ein paar Verrenkungen mit der linken Schulter. »Ich kann sogar schon wieder ein bisschen Tennis spielen. Wenigstens hat dieser Gangster gewusst, wo er hinschießen muss, damit nichts Wichtiges kaputtgeht.«
    Wir nahmen am Besprechungstisch Platz. Alles in seinem nicht übermäßig großen Büro sah exakt so aus, wie ich mir den Arbeitsplatz des Leiters einer kleinen Bankfiliale vorgestellt hatte. Nicht billig – kein Kunde soll das Gefühl haben, seine Bank müsse sparen –, aber auch keinesfalls kostspielig – er soll auch nicht fürchten, die Bank werfe sein sauer erarbeitetes Geld zum Fenster hinaus. Selbst Brauns Rasierwasser passte ins Konzept. Kaum zu riechen, aber angenehm.
    Er zupfte einen Zahnstocher aus einem bunten Keramik-Töpfchen auf seinem beneidenswert aufgeräumten Schreibtisch und begann darauf herumzukauen.
    »Ich gewöhne mir mal wieder das Rauchen ab«, erklärte er mit einem schmalen Grinsen. »Das hilft ein bisschen.«
    Obwohl er unverkennbar zur Korpulenz neigte, waren seine Bewegungen kraftvoll, zielsicher und elastisch. Der Mann trieb nicht einfach Sport, er trainierte regelmäßig. Niemals werde ich Menschen verstehen, denen es Freude macht, in aller Herrgottsfrühe

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