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Heidelberger Wut

Heidelberger Wut

Titel: Heidelberger Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolgang Burger
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erfahren, dass ich diesen Schlüssel habe, weil …«
    »Hätte er denn was dagegen?«
    »Natürlich nicht.« Sie sah einer Maus nach, die durchs Gebüsch huschte. »Es ist nur … er kann Herrn Seligmann nicht besonders gut leiden. Und er ist manchmal ein wenig impulsiv.«
    »Ihr Mann ist also kein Freund Ihres Nachbarn?«
    »Nein«, erwiderte sie, nachdem sie ernsthaft über meine Frage nachgedacht hatte, »aber auch kein Feind.«
     
    Der Inhaber des Edeka-Lädchens an der Eppelheimer Hauptstraße bestätigte mir, dass der Vermisste am vergangenen Montagvormittag zur üblichen Zeit sein Geschäft betreten hatte.
    »Der Herr Seligmann kauft ja immer das Gleiche«, brummte er. »Nudeln, ungeschälten Reis, mal auch ein paar Eier, bisschen Gemüse, hin und wieder ein Stückchen Fleisch. Und seinen Trollinger natürlich, trocken. Er sagt, Trollinger tut seinem Magen gut. Von anderen Weinen kriegt er leicht Sodbrennen, sagt er.«
    In dem Geschäft duftete es nach dem üblichen Durcheinander von Gewürzen, Käse, Obst, frischem Brot, Schinken und Wurst. Der weiße Kittel des Inhabers, Herrn Widmer, wie ich seinem schief hängenden Namensschildchen entnahm, war nicht übertrieben sauber. Sein verbindliches Lächeln wirkte ein wenig krampfhaft. Ich bekam Hunger, obwohl es noch nicht einmal elf war.
    »Ist Ihnen irgendwas aufgefallen an ihm?«
    »Aufgefallen?«, fragte er unwillig. Offenbar ging ich ihm auf die Nerven. »Was sollt mir an dem auffallen? Der war genau wie immer.«
    Die Schlange an der Kasse wurde langsam länger. Zwei ältere Damen mit Mini-Umsätzen in den Körben spitzten schamlos die Ohren. Ein kurzsichtiger Student mit Ziegenbart, einem Baguette unterm Arm und einer Wurst-Tüte in der Hand langweilte sich.
    »Wie ist er denn immer?«, fragte ich unbarmherzig.
    »Schweigsam.« Herr Widmer spielte an seiner Kasse herum. »Bisschen arg schweigsam ist er halt, der Herr Seligmann.«
    Mein Gesprächspartner hatte das Pensionsalter sicherlich längst überschritten. Seinen kantigen Kopf zierte eisgraues, militärisch kurz geschnittenes Haar, und seine Miene wurde von Satz zu Satz mürrischer. »Um was geht’s denn eigentlich?«
    »Er wird gesucht. Seit vergangenen Mittwoch hat ihn niemand mehr gesehen.«
    »Gesucht?« Er musterte mich, als würde er in meinem Gesicht nach einem versteckten Grinsen suchen. »Bisschen blass ist er mir vorgekommen, jetzt fällt’s mir ein. Hab ihn noch gefragt, ob er jetzt auch krank wird. Bei dem komischen Wetter diesen Sommer, nicht wahr. Erst wochenlang Regen und Kälte, jetzt auf einmal diese verrückte Schwüle. Kein Wunder, dass alle Welt krank ist. Ich fang wahrhaftig noch an, auf meine alten Tage an den ganzen Klimaquatsch zu glauben!«
    »Meine Sekretärin hat es auch erwischt. Was hat er geantwortet?«
    »Nichts.« Mit energischen Bewegungen begann der alte Mann, den Einkauf der ersten Dame in die Kasse zu tippen. Ein Fläschchen Kirsch, einmal Marlboro, Salami abgepackt, zwei Brötchen, ein Katzenmenü Gourmet Kaninchen/Wildschwein, ein Joghurt, Birne, vollfett. »Den Kopf hat er geschüttelt«, fuhr Herr Widmer fort, ohne aufzusehen. »Geschwätzig ist er ja nicht gerade.«
    Das »im Gegensatz zu anderen Leuten« verkniff er sich.
    Die aufgeregte Kundin fand es sichtlich schade, dass sie nun nicht mehr länger zuhören durfte. Herr Widmer half ihr beim Einpacken.
    »Muss an seinen Viechern liegen, denk ich immer«, murmelte er nebenbei. »Wenn einer Tag und Nacht mit solchem Gekreuch zusammenlebt, Schlangen, Spinnen, ich bitte Sie, da muss der Mensch doch komisch werden. Wiedersehn, Frau Knobloch. Bis morgen dann.« Er fixierte mich über seine schmale Brille hinweg. »Darf’s sonst noch irgendwas sein?«
    Sein Blick stellte klar, dass mir als Nicht-Kunde mehr Gesprächszeit nicht zustand. Inzwischen baute die nächste Kundin ihre Sächelchen auf dem Band auf. Sie ließ sich reichlich Zeit dafür.
    Ich bedankte mich übertrieben freundlich für die Auskünfte und ging. Als ich schon in der Tür war, fiel mir mein Kühlschrank ein. Heute musste ich ohnehin noch einkaufen, warum sollte ich das nicht gleich hier erledigen? Das Lächeln des Ladenbesitzers wurde deutlich wärmer, als ich mir einen Korb nahm.
    Natürlich hatte auch die kräftige junge Frau hinter der Fleisch- und Wursttheke unser Gespräch mitgehört.
    »Also, ich find ihn ganz nett, den Seligmann«, sagte sie leise, als sie mir meine Tüte reichte. Offenbar wollte sie vermeiden, dass ihr Chef mitbekam,

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