Heidelberger Wut
nachdenklich.
»Hab mich auch schon gefragt, was er wohl anstellt mit dem Geld.« Braun nickte. »Ich weiß ja, wie er so lebt. Das Haus ist bezahlt, die letzte neue Hose hat er sich vor zehn Jahren geleistet, und sein Auto ist praktisch schon ein Oldtimer. Trotzdem hat er am Ende des Monats seine Pension immer komplett verbraten. Früher hat er sogar noch einiges an Ersparnissen gehabt. Aber die hat er über die Jahre auch ausgegeben. Vor ein paar Monaten hat er sogar mal nachgefühlt, ob er eventuell eine Hypothek auf seine Ruine kriegen könnte.«
»Wie kam es überhaupt, dass Sie am Tag des Überfalls so viel Geld hier hatten?«
»Ein Kunde hatte eine größere Menge Bargeld angefordert. Normalerweise haben wir hier höchstens fünfzigtausend liegen.«
»Zu welchem Zweck braucht ein Mensch anderthalb Millionen in bar? Kommt so was öfter vor? Und wer außer Ihnen wusste davon?«
»Ja, das kommt alle paar Wochen mal vor. Jeder meiner Mitarbeiter weiß davon. Und ich kann natürlich nicht kontrollieren, wem die es abends in ihrer Stammkneipe weitererzählen. Ich schätze mal, zehn Menschen kommen schon zusammen, wenn Sie mich dazurechnen, und meine Frau natürlich.«
»Ihre Frau?«
Braun knispelte an seinen kurz geschnittenen Fingernägeln. »Irgendwas muss man ja reden an den Abenden. Viel Aufregendes gibt’s ja sonst nicht.«
»Sie haben den ersten Teil meiner Frage noch nicht beantwortet.«
Braun lachte lautlos. »Wozu einer so viel Bargeld braucht? Das kann ich Ihnen sagen. Der Kunde hat eine Erbschaft gemacht. Und er hat nicht vor, mehr Steuern als unbedingt nötig auf seine Erträge zu bezahlen.«
»Das heißt, er wollte das Geld ins Ausland schaffen?«
»Was denken Sie denn?« Plötzlich war er sehr ernst. »Wir sind hier eine Bank und nicht das Finanzamt. Deshalb hat es mich nicht zu kümmern, was meine Kunden mit ihrem Geld anstellen.«
Brauns letzte Worte hatten scharf geklungen.
»Das ist mir natürlich klar«, versuchte ich ihn zu beruhigen. »Und selbstverständlich werde ich Sie nicht nach dem Namen des Auftraggebers fragen.«
Er entspannte sich und lächelte wieder. »Ihre Kollegin hat mir gestern erzählt, Sie sind dem Ganoven-Pärchen dicht auf den Fersen? Meinen Glückwunsch! Ich hoffe sehr, die zwei sitzen demnächst im Knast.«
»So weit sind wir leider noch nicht.« Ich berichtete ihm von den jüngsten Entwicklungen in Spanien.
»Sie haben die Dreckbacken praktisch schon gehabt, und sie sind Ihnen ausgebüxt?«, fragte Braun in einer Mischung aus Empörung und Mitleid.
»Ich kann nichts dafür. Südspanien liegt außerhalb meines Zuständigkeitsbereichs«, erwiderte ich freundlich.
»Schade eigentlich.« Er war schon wieder halb versöhnt. »Ist recht nett da unten. Wir sind da vor Jahren mal im Urlaub gewesen.«
»Hier gefällt es mir bisher auch ganz gut.« Ich erhob mich, reichte ihm die Hand. »Ich hatte es mir nur ein bisschen ruhiger vorgestellt, ehrlich gesagt.«
»Tja«, meinte Braun mit listigem Grinsen. »Die Zeit der Romantik ist sogar in Heidelberg vorbei. Nur die Amis und die Japsen haben es anscheinend noch nicht gemerkt.«
Vangelis bat dringend um meinen Anruf, erklärte mir meine Sekretärin aufgekratzt. Es gebe gute Neuigkeiten.
Bonnie and Clyde waren endlich identifiziert. Gestern Nachmittag hatte unsere Pressestelle zwei der Fotos veröffentlicht, und tatsächlich hatte sich bereits am Vormittag eine junge Frau aus Wiesbaden gemeldet, die die beiden von früher kannte. Unsere beiden Bankräuber hießen Jannine von Stoltzenburg und Thorsten Kräuter.
»Er stammt aus Mainz, das Mädchen aus Wiesbaden«, berichtete mir Vangelis am Telefon. »Mit den Familien habe ich schon gesprochen. Die waren natürlich völlig aus dem Häuschen. Vor allem die von Stoltzenburgs hatten bisher keinen Schimmer von der Karriere ihrer vornehmen Tochter.«
»Da kann die Presse ja endlich mal wieder was Nettes über uns schreiben.«
Die Schlinge zog sich zu. Wir wussten, wie sie aussahen, wir kannten ihre Namen. Nun konnte es nur noch eine Frage von Tagen sein, bis die beiden hinter Gittern saßen. Beschwingt machte ich mich an meinen ungeliebten Aktenstapel, und ich kam erstaunlich gut voran. Als Sönnchen mich darauf hinwies, es sei längst Essenszeit, hatte die Unordnung auf meinem Schreibtisch bereits sichtbar abgenommen.
Mein Optimismus sank ein wenig, als ich von Vangelis erfuhr, die Spanier hätten das Fluchtfahrzeug der Gesuchten ausgebrannt in einem Steinbruch
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