Heidelberger Wut
ein paar Croissant-Krümel von der Hose.
»Wenn ich bloß wüsste, wo ich den hinstecken soll«, grübelte sie mit spitzen Lippen. »Ich meine, der war vor Jahren mal Zeuge bei irgendwas. Es hat damals sogar in der Zeitung gestanden. Irgendwas Schlimmes muss das gewesen sein, sonst würd ich mich bestimmt nicht mehr dran erinnern.«
»Vielleicht haben wir was in den Akten über ihn?«
Meine Sekretärin nickte sehr langsam. Dann wurden ihre Augen plötzlich wieder größer. »Ich geh nachher mal in den Keller und trink mit der Gerda im Archiv einen Espresso. Vielleicht erinnert die sich noch, was das war. Die hat übrigens eine super Maschine! Wenn Sie auch mal ins Archiv kommen, lassen Sie sich von der Gerda unbedingt einen Espresso machen, Herr Kriminalrat!«
Seit neuestem war in der Polizeidirektion eine Art Wettbewerb ausgebrochen, welche Abteilung die tollste Maschine und die aromatischsten Bohnen hatte und den besten Kaffee kochte.
»Ich bin mit Ihrem ganz zufrieden, Sönnchen«, sagte ich behaglich.
Bonnie and Clyde schienen sich in den Weiten irgendeiner spanischen Sierra verloren zu haben.
»Unsere einzigen Spuren sind bisher der ausgebrannte Mercedes in einem Steinbruch nicht weit von Manzanares sowie – und das ist vielleicht spannender – eine Mietwagenbuchung in Barcelona von gestern Abend«, erfuhr ich von Klara Vangelis bei der Fallbesprechung. »Die Papiere, die der Mann vorzeigte, lauten auf den Namen, den Kräuter auch im Hotel angegeben hat – Horst Schröder.«
Ich gähnte. Die Nacht war zu kurz und der Rotwein eindeutig ein bisschen zu viel gewesen.
»Wie steht’s im Fall Seligmann?«, fragte ich.
Balke ergriff das Wort. »Der ist möglicherweise nach Süden unterwegs. Fin belgischer Lkw-Fahrer will seinen Mazda am Samstag auf der Autobahn bei Dijon gesehen haben.«
»Vielleicht fahren sie zu einem Treffpunkt? Um die Beute aufzuteilen?«
Vangelis nickte heute schon wieder kräftiger, obwohl sie immer noch ihren Verband trug. Die Beule an der Schläfe schimmerte durch das Make-up jetzt eher grünlich. Nach ihrer Miene zu schließen, schien sie jedoch noch schlechtere Laune zu haben als in den Tagen zuvor.
Balke strahlte. Er war fleißig gewesen. Inzwischen wussten wir eine Menge über das flüchtige Pärchen. Thorsten Kräuter stammte aus einfacheren Verhältnissen als seine Geliebte. Sein Vater arbeitete als Ingenieur bei Isuzu.
»Dieser Typ muss irgendwie einen Schaden haben«, meinte Balke. »Auf der einen Seite hat er ein Einsnull-Abi gemacht und bis vor ein paar Monaten Philosophie und Geschichte studiert, auf der anderen Seite ist er schon mit fünfzehn zum ersten Mal polizeilich aufgefallen.«
»Was hat er angestellt?«
»Mit einem Kumpel zusammen reihenweise Autos geknackt. Bevorzugt teure Mercedes-Modelle in den Villenvierteln um Wiesbaden herum. Die zwei mussten am Ende aber nur ein paar Tage soziale Dienste ableisten, weil sie ihre Beute nämlich nicht behalten, sondern komplett an Obdachlose verschenkt haben.«
»Er hat geklaut, um die Armen zu unterstützen?«, fragte ich belustigt.
Balke blieb ernst. »Er war schon als Schüler politisch ziemlich links, hat mir sein Vater erzählt. Auch an der Uni hat er sich sofort einer entsprechend radikalen Gruppe angeschlossen. Und ich finde, wenn einer schon klaut, dann doch bitte da, wo es nicht wehtut.«
»Der Robin Hood des einundzwanzigsten Jahrhunderts«, meinte ich kopfschüttelnd. »Hat er sich später noch mehr solche Sachen geleistet?«
»Er hat noch mehrfach unter Verdacht gestanden, immer wegen Eigentumsdelikten, immer wieder Autoknackerei an Nobelkarossen. Zwei Wochen war er sogar mal in U-Haft, aber er ist mit einem blauen Auge davongekommen.«
»Und das Mädchen?«
»Die hat von Haus aus Kohle ohne Ende!«, schnaubte er.
Balke war der festen Überzeugung, dass jeder Mensch kriminell war, der mehr als eine Million Euro besaß, weil man so viel Geld auf ehrliche Weise einfach nicht verdienen konnte.
»Die von Stoltzenburgs residieren in einem schlossartigen Anwesen in der Nähe von Königstein. Der Vater ist irgendwas Tolles bei der Deutschen Bank in Frankfurt. Mehr weiß ich bisher nicht über sie.«
Thorsten Kräuter war vor sechsundzwanzig Jahren in Koblenz zur Welt gekommen und somit sechs Jahre älter als seine Partnerin. Nach Aussagen einer Freundin, die Balke aufgetrieben hatte, liebte seine Jannine ihn bis zur Selbstaufgabe. Letztes Jahr hatte sie Abitur gemacht und sich seitdem ein wenig in
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