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Heidelberger Wut

Heidelberger Wut

Titel: Heidelberger Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolgang Burger
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Gewohnheiten kommen wieder heraus, die man aus Anstand eine Weile unterdrückt hat. Auf einmal trägt er seine Unterhosen wieder eine Woche lang, die er anfangs jeden Tag gewechselt hat.« Sie verstummte. Leerte seufzend ihre Tasse. Schwieg einige Sekunden. Dann schüttelte sie heftig den Kopf, wie um unangenehme Gedanken oder geplatzte Träume zu verscheuchen.
    »Auf der anderen Seite: man gewöhnt sich auch nicht. Nicht an die Dinge, die einem wirklich wichtig sind. Und das mit dem Zurechtrücken, das gibt nur Streit.« Sie fiel zurück, griff mit einer fahrigen Bewegung nach ihrem Tässchen, merkte, dass es leer war, und stellte es zurück. »Dann …«
    »Was war dann?«, fragte Balke sacht.
    Wieder schwieg sie lange. »Ich hätte so gerne Kinder gehabt. Man liest ja immer wieder von Frauen, die mit zweiundvierzig, dreiundvierzig zum ersten Mal Mutter werden. Man hofft, man glaubt, das Unmögliche wäre vielleicht, vielleicht …« Jetzt sah sie mir ins Gesicht. Traurig. Wütend. Vorwurfsvoll. »War es aber nicht! Es war nicht möglich! Es war ein Irrtum. Punkt. Aus.«
    Balke stierte in seinen Tee, schwenkte ihn langsam hin und her, tat genau das, was ich an seiner Stelle auch getan hätte: Er ließ ihr Zeit. Ich hörte, wie ihr Atem sich beruhigte. Spürte, wie ihr Ausbruch ihr peinlich wurde. Kurz bevor sie begann, Entschuldigungen zu stammeln, ergriff ich das Wort.
    »Es gibt viele Paare, die solche Probleme haben. Und viele werden trotz aller Meinungsverschiedenheiten zusammen alt, finden irgendwann ihren Frieden, gewöhnen sich eben doch an das eine oder …«
    »Nein!«, fiel sie mir kalt ins Wort. »Sie finden keinen Frieden. Sie schließen höchstens einen Waffenstillstand. Oder einer von beiden kapituliert.«
    Sven Balke stellte sein leeres Porzellanschälchen auf den kleinen Tisch aus hellem Holz. »Kommen wir noch einmal zu der Frage: Wenn er sich irgendwo verstecken wollte, wo würden Sie ihn vermuten?«
    »Südfrankreich«, antwortete sie ohne Zögern. »Er liebt die Provence, sie ist fast seine zweite Heimat. Er kennt die Gegend da unten so gut wie Eppelheim. Und das will was heißen. In Eppelheim ist er nämlich auf die Welt gekommen.«
    Unten auf der Straße tobte eine Horde Kinder vorbei. Vermutlich war irgendwo in der Nähe für ein paar Glückliche die Schule früher als vorgesehen zu Ende gegangen.
    »Haben Sie in letzter Zeit etwas von ihrem ehemaligen Mann gehört?« Falsche Frage. Die richtige wäre gewesen: »Wann haben Sie zum letzten Mal von ihm gehört?« Aber hier war Verhörtaktik nicht nötig.
    Monika Eichner schüttelte müde den Kopf. »Nein. Schon lange nicht mehr.«
    »Was heißt das?«
    »Ach«, sagte sie ablehnend und sah zum Fenster. »Jahre.«
    Bei Balkes herzerwärmendem Lächeln wurde mir wieder einmal klar, woher sein unerhörter Erfolg beim anderen Geschlecht rührte. In den letzten Monaten war es zwar ruhig geworden an dieser Front, da ihn endlich eine Frau an den Haken genommen hatte, wie Vangelis es ausdrückte. Seither kam er mir gereifter vor, erwachsener. Und er würde nicht mehr lange Oberkommissar bleiben, wenn er so weitermachte.
    »Und Sie wollen mir wirklich nicht verraten, wieso Sie Xaver suchen?«, fragte unsere Gastgeberin, als sie uns zum Abschied die heiße Hand reichte. »Dass einer mal ein paar Tage wegfährt, ist doch kein Grund, dass die Polizei sich für ihn interessiert.«
    »Sie vergessen das Blut in seinem Haus«, gab ich zu bedenken.
    Sie schob die Unterlippe vor. »Steht er unter Verdacht? Soll er irgendwas angestellt haben? Was Schlimmes?«
    »Halten Sie ihn denn für fähig, ein Verbrechen zu begehen?«
    »Xaver?« Sie lachte fast bei der Vorstellung. Dann sah sie mich plötzlich groß an. »Geht’s etwa um diesen Bankraub? Ich weiß natürlich, dass die Brauns seine Nachbarn sind. Ich hab ja zwei Jahre in seinem Haus gewohnt. Der Braun und Xaver haben sich nie leiden können. Sind Sie etwa deshalb hier?«
    »Würden Sie ihm so etwas denn zutrauen?«, wiederholte ich meine Frage.
    Verlegen sah sie auf ihre Füße, die in großen himmelblauen Plüschpantoffeln steckten. »Wissen Sie, Xaver ist kein schlechter Mensch. Er hat in vielen Dingen seine eigenen Ansichten. Ziemlich komische Ansichten manchmal. Aber so was? Nein. Wirklich nicht.«
    »Menschen ändern sich.«
    »Nicht Xaver.« Überzeugt schüttelte sie den Kopf. »Der ändert sich nie.«
    Als ich von der Straße noch einmal hinaufsah, stand sie mit unbewegter Miene am Fenster und tupfte

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