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Heidelberger Wut

Heidelberger Wut

Titel: Heidelberger Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolgang Burger
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nichts mehr. Das hatte sich am Sonntag gründlich geändert. Die Minestrone mit dünnen Gemüse-Allumettes war noch kein Problem gewesen, wenn man von der tiefen Schnittwunde in meinem Daumen absah. Dafür gerieten die Seezungenröllchen so trocken wie Aktendeckel und schmeckten ungefähr wie meine Schreibtischunterlage. Die Soße glich diesen Mangel mehr als aus, denn sie war so sauer, dass Theresa beim Probieren schielte und sofort das Rezept haben wollte, weil die Soße nach ihrer Überzeugung ein Wundermittel gegen Schildläuse sein musste. Der Reis war zu kurz gekocht, die so liebevoll geputzten, in perfekt gleichmäßige Stücke geschnittenen Zucchini dafür matschig wie ein Babymenü. So hielten wir uns schließlich ans Dessert – fertig gekauftes Bourbon-Vanilleeis mit ebenso fertig gekaufter Roter Grütze.
    »Sie verlassen Ihr Haus ziemlich selten.«
    Ein rascher, misstrauischer Blick durch dichte Brauen traf mich. »Ich bin froh, wenn ich niemanden sehen muss.«
    »Außer an Montagen und Donnerstagen.«
    Zum ersten Mal wirkte er überrascht. »Donnerwetter, Sie wissen ja wirklich eine ganze Menge über mich!«
    »Wohin fahren Sie immer an diesen Nachmittagen?«
    »Auch das geht Sie leider einen Scheißdreck an.« Es klang nicht einmal besonders unfreundlich, wie er das sagte. »Aber ich kann Ihnen versichern, dass ich nichts Ungesetzliches tue.«
    Vangelis machte noch immer keine Anstalten, etwas zu diesem Gespräch beizutragen. Zeit, das Thema zu wechseln.
    »Wir haben Blut gefunden in Ihrem Haus. Nebenan in der Küche und auch hier im Wohnzimmer.«
    Unwillkürlich fasste er sich ans Handgelenk.
    »Ich nehme an, es ist Ihr Blut. Können Sie mir erklären, wie es dort hingekommen ist?«
    Achselzuckend zerdrückte er die zweite Zigarette und steckte sich die dritte an. »Hab mich geschnitten.«
    »In der Nacht, bevor Sie abgereist sind?«
    »Ich war ein bisschen betrunken.«
    »Bei welcher Gelegenheit haben Sie sich denn verletzt?«
    Automatisch betastete ich meinen schmerzenden Daumen. Meine Frage war sinnlos, aber nicht nutzlos. Die gute alte und immer wieder verblüffend erfolgreiche Verhörtaktik: Ständiger Wechsel zwischen Belanglosigkeiten, Nebensächlichkeiten und Fragen zur Sache verwirrt den anderen, stört seine Konzentration. Seligmann war auf der Hut, das war offensichtlich. Aber wer ist das nicht, wenn er der Kripo gegenübersitzt? Meine Frage nach dem Bankraub hatte ihn jedoch nicht irritiert, sondern eher gelangweilt.
    »Herr Gerlach«, seufzte er müde. »Es ist in meinem Haus passiert, es ist mein Handgelenk, das beschädigt wurde. Ich habe den Unfall überlebt und glaube nicht, dass Ihre Behörde sich deshalb Sorgen machen muss. Aber gut, wenn es denn der Wahrheitsfindung dient: Es war eine Glasscherbe. Ich hab eine Flasche zerbrochen, und ich war auch nicht ein bisschen betrunken an dem Abend, sondern ich war ziemlich besoffen. Aber ich habe niemanden belästigt, ich habe nicht in der Öffentlichkeit gesungen und nicht auf die Straße gekotzt. Also, was wollen Sie?«
    »Wir haben aber keine Glasscherbe gefunden mit Blut daran.«
    »Dann werde ich das Ding wohl weggeschmissen haben. Ich habe es aber bestimmt ordnungsgemäß entsorgt. Haben Sie die Altglascontainer denn alle überprüft?«
    Ich lehnte mich zurück, zog einen Kugelschreiber aus der Innentasche meines Jacketts, spielte damit herum, als hätte ich alle Zeit der Welt. Der Kuli stammte von einem Schlosshotel am Neckar, wo ich mit Theresa zusammen einmal ein beinahe perfektes Wochenende verbracht hatte. Es kostete mich Mühe, nicht zu lächeln.
    Warten macht jeden Menschen nervös, der einem Polizisten gegenübersitzt. Fast jeden. Xaver Seligmann nicht. Auch die gute alte Verhörtaktik funktionierte hier nicht.
    »In Ihrer Küche fehlt ein Messer«, sagte ich schließlich, als wäre es mir eben erst eingefallen.
    »Das fehlt schon ewig. Ist mir mal abgebrochen, und dann habe ich es irgendwann weggeschmissen«, gab er ungerührt zurück.
    Ich versuchte, den Takt des Gesprächs zu beschleunigen, steckte meinen Stift wieder ein und fixierte meinen Gesprächspartner.
    »Ihre Nachbarin sagte uns, Sie verreisen sonst nie, ohne ihr vorher Bescheid zu geben.«
    »Natürlich.« Er nickte. »Wegen der Tiere.«
    »Warum haben Sie es diesmal nicht getan?«
    »Ich sagte doch schon, ich hatte gesoffen. Sie könnten mich wegen Trunkenheit am Steuer drankriegen, wenn Sie das irgendwie befriedigt. Und wegen Vernachlässigung Schutzbefohlener

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