Heidenmauer
Jasmin Gangbacher teil. Ihre Begrüßung durch Kimmel fiel kurz und sachlich aus, und schon kurze Zeit darauf kam es allen vor, als habe sie schon immer mit in der Runde gesessen. Schielin berichtete stichpunktartig vom Treffen mit Leo Korsch und in welcher Verbindung dieser zum Mordopfer stand. Auch auf das Bild, das Korsch suchte, ging er kurz ein, wenngleich seine Beschreibung sehr sachlich ausfiel. Gleich nach Ende der morgendlichen Runde, schon auf dem Weg zu seinem Termin, brachte Conrad Schielin die drei Bücher bei Jasmin Gangbacher vorbei, mit der Bitte, mehr über diesen Professor Armbruster herauszufinden und vielleicht eine Erklärung dafür zu bekommen, weshalb Günther Bamm gerade diese Bücher bei sich hatte. Gommi hörte ihm interessiert zu, und Schielin wurde klar, was – neben der angenehmen Gesellschaft, die er sich ins Büro geholt hatte – noch ein Grund für Gommerts behände Reaktion gewesen war: Durch die Anwesenheit von Jasmin Gangbacher hing er direkt am Puls der Ermittlungen. Schielin befand das für gut, denn nun würden sie von seinen Besuchen verschont bleiben, konnte er doch den Durst seiner Neugier mittels anderer Quelle stillen.
Lydia saß mit Schielin im Büro und legte stumm die Unterlagen bereit, die sie benötigte. Dazu gehörten auch die Fahrkarten, die in der Ledertasche von Bamm gefunden worden waren.
Er sah auf. »Du bist so still, alles in Ordnung zu Hause, alles wohlauf, immer noch diese Sache mit der Aphrodite?«
Ein kurzes, unmotiviertes »Mhm«, war alles, was sie hören ließ, ohne ihre Arbeit zu unterbrechen.
»Der Kleine krank?«, fragte Schielin nach.
Sie schüttelte den Kopf.
»Deiiiin …?«
Sie setzte sich aufrecht auf ihren Bürostuhl und nickte ernst.
Schielin wusste damit wenig anzufangen und fragte einfach nach: »Und …?«
Sie verzog den Mund. »Anfangs dachten wir, es sei Lungenentzündung …«
»Oh.«
»… dann deuteten die Symptome aber doch eher auf Lungenkrebs hin.«
Schielin war sprachlos.
Sie beruhigte ihn mit einer Handbewegung. »War es dann aber doch nicht, auch das Bronchialkarzinom konnte ausgeschlossen werden. Es ging ihm gar nicht gut, es geht ihm noch immer nicht gut.«
Schielin wurde blass.
»Ich hatte ja von Anfang an eine ganz andere Vermutung …«
»Und die war?«
»Irgendwas im Kopf«, sagte sie ernst.
»Im Kopf!? Ein … Gehirntumor?«
Sie schürzte die Lippen und kniff die Augen zusammen, sagte aber keinen Ton.
Schielin wurde ganz flau. »Und was ist es jetzt?«
»Mhm. So wie sich die Sache im Moment darstellt, der gesamte Krankheitsverlauf und so, da dürfte es sich tatsächlich um eine im Endstadium befindliche – Erkältung handeln.« Sie stand auf und machte weiter, ihre Unterlagen herzurichten. Schielin hatte sich wieder etwas entspannt und sah ihr zu. Ohne ihn dabei anzublicken, sagte sie: »Ich habe übrigens mit seiner Ex-Frau telefoniert.«
»Und?«, fragte Schielin.
»Sehr distanziert, sehr distanziert. Ich finde das schlimm. Mein Gott – er ist totgeschlagen worden.«
»Ja sicher, aber vielleicht war Bamm während seiner Ehe auch öfters mal erkältet.«
Sie fand es gar nicht witzig und hakte nach: »Was hältst du denn davon?«
»Ja, ich finde das auch nicht in Ordnung, wenn der Ex erschlagen wird und so gar nicht ein wenig Trauer bei der Frau zu spüren ist, aber was soll man machen, so sind die Menschen«, sagte Schielin und versuchte, den richtigen Ton zu treffen. Er hackte nun wieder auf die Tastatur ein. Zweimal hatte er schon das falsche Passwort eingegeben und beim dritten Mal würde sein Zugang gesperrt werden.
Lydia Naber ließ nicht locker. »Also ich bitte dich … so sind die Menschen … wo hast du denn diese Redensart her? Findest du das denn nicht seltsam? Sie sind schon eine Weile getrennt und haben eine Tochter miteinander. Sie hat mich nicht mal gefragt, wer sich um die Beerdigung kümmert.«
Schielin klatschte in die Hände und strahlte. Die Anmeldung hatte geklappt.
Lydia Naber sah ihn vorwurfsvoll an. Er hob die Schultern. »Beim dritten Mal wäre ich gesperrt gewesen. Du weißt, wie Gommi sich da immer anstellt.«
Sie winkte ab. »Ich werde mich mit seiner Schwester in Verbindung setzen.«
»Mach das. Was hältst du eigentlich generell von diesem Fall?«
Sie setzte sich wieder und dachte zunächst nach. »Beängstigend. Wenn zwei in Streit geraten und irgendwo liegt ein Prügel herum, und der eine haut den anderen nieder – das ist die eine Sache, und das haben
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