Heidenmauer
allein im Büro war, da Lydia von der Obduktion in Memmingen nicht mehr zurück auf die Dienststelle gekommen war.
Robert Funk versuchte, einige Informationen über den Mieter des Stadels herauszubringen, und Schielin hockte über den Unterlagen, die Günther Bamm für sein neues Buch zusammengetragen hatte. Erstmals ging er auch das Notizbuch genauer durch und legte die Zeitungsartikel heraus, die zwischen den Blättern lagen. Es war ein buntes Allerlei. Er überflog die Rezension eines Buches über Leonardo da Vinci, las den Bericht über die Entwicklung der Preise am Kunstmarkt, auf einem ausgeschnittenen Zeitungsblatt war eine Sportmannschaft in eigenwilligem Dress zu sehen, auf der Rückseite dann das großflächige Inserat eines St. Gallener Auktionshauses, die auf eine Sonderausstellung hinwies – altes Porzellan. Ein Datum war nicht zu erkennen, das Papier selbst machte einen betagten Eindruck, vielleicht war es aber auch nur dem Sonnenlicht ausgesetzt gewesen und aus diesem Grund schon so verblichen.
Er suchte weiter, fand einen Artikel, den er selbst in der Frankfurter Allgemeinen gelesen hatte. Die Geschichte eines Familiengemäldes und wie sich die Familie zwei Generationen später über die Rechtmäßigkeit des Besitzes entzweit hatte. Er blickte hinaus in den Hof und sah Jasmin Gangbacher in Begleitung von Adolf Wenzel. Er trug einen Karton, sie zwei Taschen. Kurz darauf klapperte es vorne im Geschäftszimmer: Einzug. Für die neue Kollegin hatte Schielin auch schon eine interessante Arbeit. Er legte die drei vergilbten Hefte von Professor Armbruster zusammen und heftete einen Notizzettel daran. Er selbst ackerte die Listen mit den Verbindungsdaten durch. Einige Versuche blieben Versuch, ein Polsterer meldete sich sichtlich genervt, noch so spät angerufen zu werden, und noch ärgerlich, den Hörer abgenommen zu haben. Dann wählte Schielin eine Lindauer Nummer. Ein klare, emotionsfreie Stimme meldete sich mit »Ja, hallo.«
Schielin stellte sich vor und erfuhr, dass er mit dem Sekretariat der Familie Borgghes verbunden war. Er machte für den nächsten Tag einen Termin aus und blätterte danach im Notizbuch. Der Name, den er eben am Telefon vernommen hatte, war ihm der eigentümlichen Schreibweise wegen schon im Notizbuch aufgefallen. Tatsächlich fand er ihn. Borgghes stand da, etwas unförmig. Es sah aus, als habe Günther Bamm die Buchstaben unzählige Male nachgefahren, so wie man es in Gedanken manchmal tut. T. Borgghes und C. Borgghes war da zu lesen. Es war die Seite, an welcher der Zeitungsausschnitt des Schweizer Auktionshauses heftete.
Er war auf den nächsten Tag gespannt. Der Name Borgghes sagte ihm auch etwas. Er verband diesen Familiennamen mit sehr, sehr viel Geld. Sie besaßen einige Firmen, und ab und zu tauchte der Name auch in der Klatschpresse auf.
*
Schielin eilte sich, nach Hause zu kommen, wo er seine Frau und die Töchter dadurch irritierte, nach einer lakonischen Begrüßung durch das Haus zu gehen und die Bilder zu betrachten, die an den Wänden hingen, begleitet von den skeptischen Blicken der Töchter und seiner Frau, die ihn schließlich fragte, was er da mache. Auf seine lustlose Antwort hin, er betrachte sich lediglich die Bilder, meinte sie mit milder Stimme, dass die meisten schon seit fast zwanzig Jahren im Haus wären. Er sagte, dass er es erschreckend fände, dass keines ihn so richtig packe. Er sagte packe. Die Frauen sahen sich verwundert an. Er ging hoch in den Dachboden und kruschtelte so lange in altem Kram und Staub herum, bis ein trockener Husten ihn zwang, einen Schluck Wasser zu trinken.
Sein Verhalten war so seltsam, dass nicht einmal eine der Töchter einen ironischen Kommentar von sich gab. Draußen wurde es nun schon dämmrig, doch er machte sich noch auf zur Weide. Die Laufleine war schon dabei, und Ronsard stand am Gatter und schien gar nicht unwillig, noch einen kleinen Ausflug zu wagen. Von Albin Derdes war weit und breit nichts zu sehen, und so machte er sich sofort auf den Weg.
Schielin erzählte Ronsard erst einmal von dem, was er heute im Radio gehört hatte. Er berichtete von der Regierung, die überrascht davon war, wie viel Geld fehlte, und dass es so ein fremdes Erleben war, wie ein Politiker sich sogar dafür entschuldigte. So etwas gab es selten in unserem Kulturkreis. In Japan, erläuterte Schielin dem aufmerksamen Esel, war dies eine bekannte und vom Volk erwartete Verhaltensweise. Die traten vor das Volk, genauer gesagt, sie
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