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Heidenmauer

Heidenmauer

Titel: Heidenmauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Maria Soedher
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Ermittlungszug ohne Aufenthalt weiter – kurz vor zehn sollte Hedwig Kohler erscheinen und danach dieser Heinrich Rubacher. Schielin erkundigte sich bei Jasmin Gangbacher, ob sie etwas über diesen Professor Armbruster in Erfahrung hatte bringen können. Sie nickte und holte den Klappordner hervor. Kimmel wollte derweil wissen, ob die Staatsanwaltschaft die Leichenfreigabe schon veranlasst habe. Gommert nickte, denn über seinen Tisch war das Formular gelaufen. Lydia Naber berichtete von einem Telefonat mit der Schwester Bamms, die die Beerdigung veranlassen würde, und dass die Beisetzung in Berlin stattfinden sollte.

    Alleine die Erörterung des Geschehens vom Vorabend und die Erinnerung an einen Toten, der nicht am Lindauer Friedhof liegen würde, sondern in einer fremden Stadt, hatte noch einmal das Adrenalin in die Körper befördert. Schielin legte dar, dass es sich bei dem Schatten, der ihnen entwischt war, um einen Einheimischen handeln musste. Die Art, wie und wohin er geflüchtet war, deutete darauf hin, dass er sich auskannte, sogar sehr gut auskannte. Die anderen stimmten ihm zu. Gommert warf ein, dass es ja nicht unbedingt ein Einheimischer sein müsste. Offensichtlich behagte es ihm nicht, einen Mörder unter seinen nächsten Mitbürgern vermuten zu müssen. Schließlich, so stellte er fest, gab es viele Auswärtige, die sich manchmal besser in der Stadt auskannten als die Einheimischen, die immer nur ihre vertrauten Wege gingen. Funk und Wenzel stimmten seiner Ausführung zu.

    Jetzt, da alles erzählt und berichtet war, folgte eine matte Entspannung. Es war warm in dem Besprechungsraum, das lange vermisste Kaffeearoma verfing sich in den Ecken, die Stimmung war trotz allem nicht schlecht und Schielins Verletzung nicht gefährlich. Jasmin Gangbacher kramte ein Blatt hervor und begann zu lesen, halblaut, mit ruhiger Stimme. Alle lauschten, denn schon die ersten Worte klangen fremd, hier in diesem Raum.

    »Haben wir es nötig, sie zu preisen, die Landschaft um die Perle Lindau? Wir wollen sie nicht malen, sondern ergründen, sie nicht auf Gefühl und Gemüt wirken lassen. Aber auch wir leiten an, ihre offenen Gestade und dunklen Wälder zu betreten, ihre Höhen und Täler zu besuchen, das Nahe mit dem leuchtenden Firn in der Ferne zu vergleichen. Dabei können wir Genüsse unmittelbar und zu Hauff scheffeln, so viel, so eindringlich, dass wir bei Tag und Nacht von selbst davon träumen. Wir sind damit noch nicht zufrieden, wir wollen die Schätze noch mehr uns zu eigen machen, wir wollen die Landschaft verstehen, sie geistig erobern, um sie richtig zu besitzen. Gewiss geht der Weg dazu über viele Einzelheiten, über geistiges Zergliedern, über teilweises Memorieren, über nüchterne Verstandesarbeit. Aber diese Art ist gründlich, wird mit der Zeit immer leichter und schon darum lieber.«

    Lydia Naber fragte als Erstes in die Stille: »Und das hat dieser Professor Armbruster geschrieben?«
    »Ja. Es ist die Einleitung zu einem Buch mit eher geologischem Inhalt, herausgegeben vom Museumsverein Lindau. 1949!«
    »Was war das für einer, dieser Armbruster, den Namen habe ich noch nie gehört?«
    Jasmin Gangbacher wechselte zu einem anderen Blatt. »Ein ziemlich interessanter Typ, wie ich finde. Günther Bamm hatte ja diese Publikationen von ihm dabei. Ich vermute, dass es ihm weniger um diese Bücher ging, als vielmehr um die Person Armbruster selbst, um seine Lebensgeschichte. Bei den Gemälden, über die Bamm schrieb, ging es ja auch nicht um rein künstlerische Dinge, sondern um Wirrnisse und Aufregungen, die mit ihrer Existenz verbunden sind.«
    »Klingt nicht schlecht, was du vorgelesen hast, aber was ist an diesem Armbruster so Besonderes?«, fragte Kimmel.
    »Er wurde 1868 in Markdorf geboren. Der Vater war Posthalter und die Mutter Lehrerin. Er hat in Freiburg katholische Theologie studiert, und weil ihm das anscheinend nicht reichte, noch ein naturwissenschaftliches Studium drangehängt. 1913 hat er dann promoviert. Es folgte kurz darauf das Staatsexamen fürs Lehramt an den höheren Schulen Baden. Die Badische Regierung wollte ihn aber nicht in den Staatsdienst übernehmen, weil er ja katholischer Priester war, und da er auf diesen Status nicht verzichten wollte, wurde er eben nicht Lehrer. Er ging dann nach Berlin und beschäftigte sich mit der Vererbungsforschung. Sein Fachgebiet waren – Bienen.«
    »Bienen!?«, fragte Schielin, »ich denke er war Pfarrer?«
    »Ich sage doch, das war ein

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