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Heidenmauer

Heidenmauer

Titel: Heidenmauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Maria Soedher
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war im Durchgang zu sehen. Schon befürchtete er, attackiert zu werden, als er an der Schockstarre, in welcher der Körper regungslos verharrte, zu erkennen glaubte, wen er da vor sich hatte. Sich aufrappelnd fragte er: »Gommi!?«
    Er hörte ein zaghaftes »Scho.«
    Schielin war atemlos. »Dir muss doch jemand entgegengekommen sein?«
    »Mir?«
    »Ja dir, wem denn sonst!?«
    »Ja, du halt.«
    Schielin zürnte in den schwarzen, sternenlosen Nachthimmel. »Gommi! Irgendwann …«, presste er hervor und drohte mit der Faust. Den Satz sprach er nicht zu Ende, sondern lief hinaus auf die Mauer. Von links kamen Wenzel und Lydia. Sie hatten sich also beide für die Neugasse entschieden. Auch sie hatten nichts gesehen, und hier gab es nichts zu sehen.
    »Er muss hinüber zur Inselhalle sein«, meinte Wenzel.
    »Der Robert steht vorne an der Landtorbrücke, und die Jasmin ist hinter zum Bahndamm; do wär die Insel abgeriegelt«, tönte es mit einem zufriedenen Unterton von der Mauer her.
    »Ja super, Gommi«, meinte Schielin, »und die Jasmin kann sich dann vielleicht mit dem Mörder vom Bamm da hinten im Dunkel rumschlagen.«
    Die Antwort bestand in zweimaligem, geatmetem Entsetzen, dann spurtete Erich Gommert Richtung Thierschbrücke davon. Adolf Wenzel setzte ihm nach.
    Schielin blieb die Luft weg, und ihm war gerade gar nicht gut. Lydia Naber stöhnte auf, als sie im Widerschein einer Straßenlampe sein Gesicht sah. »Jesusmaria, du blutest ja wie ein Schwein.«
    Er fuhr mit der Hand über die Stirn. Es fühlte sich warm und klebrig an.
    »Scheißtor. Ich hätte es eigentlich wissen müssen. Das schließt mit so einem alten Eisengewicht, das über einen Seilzug am Tor angebracht ist.«
    Lydia Naber kramte ein paar Taschentücher aus der Handtasche und tupfte Schielins Stirn ab. Durch die Lücken der Bäume war kurz darauf das Blitzen moderner LED-Blaulichter zu sehen.

    Adolf Wenzel lehnte an der Wand des Wallstübles und rauchte eine Lucky Strike. Der würzige Qualm roch angenehm, jetzt in der Nacht.
    Schielin ging zu ihm und fragte: »Was meinst du zu der ganzen Sache, Wenzel.«
    Der nahm einen tiefen Zug und ließ den hellgrauen Dunst langsam bei geschlossenen Augen entweichen.
    »Hast gesehen, wie er sich bewegt hat?«
    »Ich habe es gesehen.«
    »Wie eine Katz, wie eine Katz.«
    »Sehr geschmeidig, ja, durchtrainierter Typ.«
    »Und keine Nerven. Hat Vertrauen auf das, was er kann.«
    »Das hat er wohl, wenngleich er Glück gehabt hat, fast hätte ich ihn erwischt.«
    Wenzel hielt die Augen geschlossen. »Du weißt es auch, oder?«
    Schielin meinte. »Wir denken das Gleiche?«
    »Er war’s.«
    »Denke ich auch, ja. Das war er. Sei froh, dass du ihn nicht erwischt hast. Wer weiß, was daraus geworden wäre.«
    »Was wollte er hier heroben? Hier ist nichts, und Günther Bamm ist da drüben erschlagen worden.«
    »Das ist ein cooler Hund. Hat nur einen Fehler gemacht – das Papierchen. Ich sag’s dir, wie es ist, Conrad, der wollte dieses blöde Papierchen holen. Wir haben das Ding, und damit ist er geliefert. Er weiß das, sonst hätte er niemals eine solche Aktion gestartet. Sagt mir mein Gefühl.«
    Schielin entgegnete nichts. Er hatte das gleiche Gefühl. Das Problem war nur, dass der Unbekannte im schwarzen Mantel auf sehr hohem Niveau dachte und versuchte, Fehler zu korrigieren; wenn ihm sogar die Sache mit dem Papierchen eingefallen war.

    Eine gute Stunde später war klar, dass der Kerl ihnen entwischt war. Sie waren sich einig, dass er sich irgendwo auf der Insel versteckt hielt, es aber völlig aussichtslos war, eine Suche zu beginnen. Der Platz unten am Kleinen See und am Wallstüble, wo er über den Zaun nach unten gesprungen war, wurde noch in der Nacht intensiv abgesucht, jedoch ohne dass man etwas hätte finden können.

Geliebte
    Keiner von ihnen schlief leicht ein in dieser Nacht. Es dauerte seine Zeit, bis das Adrenalin abgebaut war. Dann aber war der Schlaf tief, voller Schwärze und erholsam. Die Morgenbesprechung begann erst um neun. Jasmin Gangbacher brühte Kaffee auf, und Kimmel ließ sich von Robert Funk einen ersten Überblick zu den Geschehnissen der vorangegangenen Nacht geben. Das Verhalten der Gestalt, die mit katzenhafter Geschmeidigkeit durch die Nacht geglitten war, gab zwar Rätsel auf, doch Adolf Wenzel und Schielin erläuterten ihre Vermutung, und niemand wollte ihnen widersprechen.
    Trotz der Aufregung, die der Auftritt des Vorabends mit sich gebracht hatte, rollte der

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