Heidenmauer
ganz irrer Typ. 1919 wurde er an die neu gegründete Bienenforschungsstelle des Bereichs Biologie am Kaiser-Wilhelm-Institut Berlin berufen, und als diese Forschungsstelle geschlossen wurde, übernahm die Landwirtschaftliche Hochschule Berlin-Dahlem det Janze und gründete ein Institut für Bienenkunde. Unser Armbruster wurde am – kein Aprilscherz – ersten April 1923 zum außerordentlichen Professor für Bienenkunde berufen und 1929 folgte schließlich die Berufung zum Ordinarius.«
Gommert war beeindruckt »Oooh, Ordinarius! Des klingt nach was Hohem.«
»Den Begriff gibt es heute nicht mehr. Es bedeutet so viel wie Lehrstuhlinhaber«, erklärte Jasmin Gangbacher.
»Und was hat das mit Günther Bamm zu tun?«, fragte Schielin.
Jasmin Gangbacher ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Armbruster war ein ziemlicher Dickkopf, so würde man es heute wohl nennen, und da er sich von nichts und niemandem beirren ließ, krachte er 1934 mit den Nazis zusammen. Sie haben ihn gleich nach der Machtergreifung aus dem Amt gejagt – Amtsenthebung.«
»Jesusmaria, Amtsenthebung!«, entfuhr es Gommert. Für ihn war ein Amt etwas Unantastbares, fast Heiliges. Inhabern von Ämtern trat er mit ehrwürdigem Respekt gegenüber, ohne dabei allzu devot zu wirken. Ein Amt, das war für ihn etwas von solcher Beständigkeit, vergleichbar dem stetigen Fließen des Rheins, der den Bodensee befüllte.
Jasmin Gangbacher warf ihm ein kurzes Lächeln zu. »Er hatte die Unterschrift unter die Zustimmungserklärung der Professoren zur Machtübernahme durch die nationalsozialistische Regierung verweigert. Darüber hinaus verfügte er über intensive Kontakte zu jüdischen Bienenkundlern in Palästina, dann noch seine Kooperation mit jüdischen Bienenforschern – das alles kostete ihn letztlich seinen Lehrstuhl. Es gab da einen NS-Rektor Schucht, der ihm offen vorwarf, ein Judenfreund zu sein, da er viele jüdische Hörer und Praktikanten in der Bienenfarm hatte. Außerdem war er ab Oktober 1931 Mitglied im ›Deutschen Komitee pro Palästina zur Förderung der jüdischen Palästinasiedlung‹. Dann noch sein angstfreies Verhalten den Nazis gegenüber – da war er natürlich sofort an der Reihe. Es gab damals dieses Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums – ein Werkzeug, um unliebsame Beamte aus dem Amt zu jagen.«
Sie sah in die Runde. »Bis zum Beginn des Krieges hat er noch in Berlin gelebt, ist aber Anfang der Vierziger Jahre, als die Bombenangriffe immer heftiger wurden, hierher nach Lindau gezogen, denn er hatte hier ein Haus aus einem Erbe. 1943 wurden die Ruhestandsbeamten aus Berlin evakuiert, stellt euch das mal vor, es gab einen eigenen Evakuierungsplan für Ruhestandsbeamte, ich finde das unglaublich. Nach dem Krieg war er dann als freier Publizist tätig und hat für die französische Sektorenobrigkeit als Berater in landwirtschaftlichen Fragen gearbeitet. Am vierten Juni 1973 ist er hier in Lindau gestorben.«
»Dann hat er wohl hier in Lindau seinen Frieden gefunden«, meinte Robert Funk.
Wenzel schürzte die Lippen. »So wie des klingt, war er mit sich selbst von Anfang an im Frieden. Ein gradliniger Kerl halt. Respekt.«
Jasmin Gangbacher wog den Kopf. »Das sicher. Ich habe ja mit einigen Leuten telefoniert. Eine Wissenschaftlerin aus Berlin, die mehrere Artikel über diesen Armbruster veröffentlicht hat, sagte, er sei ein Mensch gewesen, der mit dem Kopf durch die Wand ging, auch wenn drei Meter daneben eine Tür war. Er war also sicher schwierig im Umgang. Den leichtesten Weg hat er nie gewählt.«
Gommert hob den Zeigefinger. »Also so schön, wie der des geschrieben hat, was die Jasmin da vorgelesen hat, ist des schon so, dass der hier bei uns …«
Lydia Naber unterbrach. »Ja, ist gut Gommi. Das haben wir ja alle gehört, und es hat uns gefallen, was er über den Bodensee schreibt – nur, wo ist denn nun die Verbindung zu Bamm?«
Jasmin Gangbacher lehnte sich zurück. »Also ich denke, Günther Bamm hat Nachforschungen angestellt. Ist doch ein interessantes Thema für einen Journalisten wie ihn, und gibt einiges her. Man muss sich vorstellen – das ist ein grundanständiger Mensch gewesen, eine international anerkannte Kapazität auf dem Gebiet der Bienenforschung – und er ist erst vor ein paar Jahren rehabilitiert worden, erst mehr als drei Jahrzehnte nach seinem Tod. Er hat sich gleich nach dem Krieg darum bemüht, in seine Stellung nach Berlin zurückzukehren, mindestens aber
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