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Heidenmauer

Heidenmauer

Titel: Heidenmauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Maria Soedher
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Foto in die Hand nahm und Günther Bamms Gesicht aufmerksam studierte. Sie gab es ihm zurück und kniff die Augen zusammen.
    Schielin hatte bisher kein Wort gesagt.
    »Ich glaube schon«, sagte sie.
    »Er war also hier?«
    »Mhm. Und was sind Sie für einer?«, wollte sie wissen, während sie die Tasse auf ein kleines Tablett räumte.
    »Ich bin von der Polizei. Aus welchem Grund erinnern Sie sich an ihn?«
    Sie sah ihn skeptisch an. »Aber nicht von unserer, oder?«
    Schielin schüttelte den Kopf und sagte: »Lindau.«
    Sie sagte: »Ah, sind wir jetzt schon ganz in Europa angekommen.«
    »Meine schweizerischen Kollegen wissen Bescheid. Ich stelle nur ein paar unschuldige Fragen.«
    Sie drehte sich und balancierte das Tablett geübt. »Er war sehr freundlich, und er hatte so etwas Ruhiges. Ein gebildeter Mensch, wissen Sie, nicht nur Bücherwissen, sondern so ganz rundherum. Man muss nicht viel reden miteinander, man spürt es. Außerdem hat er mir auch ein Foto gezeigt.«
    »Ein Foto?«
    »Ja. Es waren zwei junge Männer darauf abgebildet. Aber die hatte ich noch nie gesehen.«
    »Wann war das?«
    »Am Freitag vorletzter Woche.«
    »Sie haben ein gutes Gedächtnis«, meinte Schielin.
    »Es war einmal mein Hochzeitstag.«
    »War sonst irgendetwas Besonderes«, überging er ihre Antwort.
    Sie lächelte und überlegte. »Ich glaube, vorne am Bahnhof hat es was gegeben, aber ich weiß nicht so genau. Da müssen Sie da vorne fragen. Polizei war wohl da, aber das kommt öfter mal vor, wenn die Besoffenen zurückkommen. Aber im Moment ist es nicht mehr ganz so schlimm, als wenn bei euch das Oktoberfest ist.«
    »Dieses Foto, das er Ihnen gezeigt hat. Wie sahen die beiden jungen Männer denn aus?«
    »Boh. Sie stellen Fragen. Der eine war ein blonder, ein blonder Engel, würde ich sagen. Der andere hatte dunkle Haare. Sie hatten irgendwie so eine Art Uniform an, und das Foto war nicht so gut wie Ihres, so als wäre es abfotografiert worden.«
    »Welche Uniform meinen Sie?«
    »Keine Uniform an sich, eher so ein Dress, ein Partnerlook, oder so.«

    Günther Bamm war also in St. Margrethen gewesen und hatte Nachforschungen angestellt.
    Kurze Zeit später war Schielin wieder am Bahnhof und wartete auf einen günstigen Moment, den Bahnhofsvorsteher abzupassen. Er hatte seine säulenhafte Kontrollstellung aufgegeben und war geschäftig in seinem Führungsstand unterwegs, wie durch die großen Glasfronten gut zu erkennen war. Er telefonierte, drückte auf Knöpfe, legte Hebel um und sprach Durchsagen. Endlich trat er heraus auf den Bahnsteig und suchte die einsamen Gleise ab.
    Schielin stellte sich vor und erntete einen irritierten Blick, als er das Foto hochhielt. Der Uniformierte rührte sich nicht, allerdings betrachtete er das Foto.
    »Ich sehe jeden Tag Tausende Leute«, sagte er schließlich.
    Schielin unterließ es, einen ironischen Blick über die vereinsamte Bahnhofsanlage zu werfen. Er wollte wenn möglich eine Auskunft. »Er war drunten im Café Brassel«, sagte er, »am vorletzten Freitag. Man sagt, da hätte es Polizei hier gebraucht. War etwas Besonderes?«
    Der Uniformierte schüttelte ernst den Kopf. »Ein Randalierer, mehr nicht. Der hatte nichts damit zu tun.«
    »Wer?«
    »Der auf ihrem Bild.«
    »Sie haben ihn gesehen?«
    Die weit vorstehende Hutkrempe zeigte das Nicken deutlicher, als es dem darunterliegenden Kopf anzumerken gewesen wäre. »Er war doch einige Male hier in letzter Zeit. Was ist mit ihm?«
    »Er ist erschlagen worden.«
    »Ah. Der war das. Der Journalist, den sie umgebracht haben bei euch drüben, soso.«
    Schielin wartete.
    »Er war das erste Mal vielleicht so vor zwei Wochen hier, kann auch länger her sein, ich erinnere mich nicht mehr genau. Er wollte von mir wissen, wie er zu Fuß am schnellsten zum Rheinpark vorkommen könnte. Ich hab ihm den Weg erklärt. Danach habe ich ihn noch zwei-, dreimal hier gesehen. Mehr weiß ich nicht.«
    »War denn vielleicht was Besonderes los hier in letzter Zeit?«
    Der Uniformierte schürzte die Lippen und hob den Kopf. Ein lautes Atmen war zu vernehmen. Er dachte dienstlich nach. »Nichts eigentlich.«
    »Eigentlich?«
    Er holte Luft. »Es könnte an dem Tag gewesen sein, als er mich nach dem Weg gefragt hat – an diesem Tag war irgendwas los da vorne am Rheinpark. Viel Polizei, aber in Zivil. Man hat so was gehört, aber es war nichts in der Zeitung gestanden.«
    »Was hat man gehört?«
    »Sie haben einen festgenommen. Vorne am Parkplatz vom

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