Heidenmauer
Rheinpark. Wen und warum weiß ich nicht. Das kommt ja doch ab und zu vor, wenn man so an der Grenze lebt.«
»Lebte«, stellte Schielin lächelnd fest.
Dem Uniformierten war keine Euphorie anzumerken. Er sprach feststellend, mit einem Hauch Resignation: »Ahja. Ist ja keine Grenze mehr da, jetzt. Ist einmal Schengen gekommen, wird das Europa auch nicht mehr lange auf sich warten lassen.«
Lydia Naber und Jasmin Gangbacher saßen in Hedwig Kohlers Küche, als Lydias Handy klingelte. Conrad Schielin war dran. Er befand sich auf dem Weg nach St. Gallen, wo er die Kollegen aufsuchen wollte. Er sagte, er sei in St. Margrethen auf etwas gestoßen, das er in St. Gallen abklären musste. Lydia lächelte Frau Kohler an und sagte Schielin, wo sie gerade waren, dann legte sie ohne Abschiedsgruß auf. Auch das Lächeln war aus ihrem Gesicht verschwunden. Sie hatten Kaffee abgelehnt, auch andere Getränke, die Hedwig Kohler angeboten hatte. Lydia fragte distanziert: »Wo ist Ihr Mann? Ist er wieder gesund?«
»Reha«, lautete die knappe und ausweichende Antwort.
Hedwig Kohler lehnte an der Arbeitsplatte neben der Spüle, beiden Hände nach hinten gehalten, stützte sie sich ab. Sie trug ein sommerliches Kleid, voller floraler Ornamente und in abgetöntem Grün. Die beiden Polizistinnen saßen am runden Tisch. Der Kühlschrank surrte leise, und während eines kurzen Augenblicks der Stille war das Sekundenklacken der Küchenuhr zu hören. Sie sahen einander an.
»Bitte setzen Sie sich«, sagte Jasmin Gangbacher freundlich, und doch war es eine klare Anweisung. Sie richtete ein kleines Gerät her, das zur Aufzeichnung des Gespräches gedacht war, und fragte, ob Hedwig Kohler damit einverstanden war.
Die zögerte einen Augenblick, setzte sich schließlich und gab stumm ihre Zustimmung.
»Wir haben Ihr Auto ja gerade durchsucht. Auch in der Wohnung werden wir uns noch umsehen. Wie ist Ihr Mann eigentlich zur Reha gekommen?«
»Taxi.«
Lydia Naber wartete einige Sekunden und kam dann zur Sache. »Frau Kohler, wir haben uns schon einmal über diesen Sonntag unterhalten, jenen Sonntag, an dem Günther Bamm totgeschlagen worden ist.« Sie wählte absichtlich diese drastische Formulierung.
Hedwig Kohler sah auf die Tischplatte und schob einen Krümel über den Rand und verfolgte wie er lautlos auf den Boden fiel.
Lydia beeindruckte das abweisende Gehabe nicht. »Wir haben neue Erkenntnisse in dem Fall, und ich möchte Sie fragen, wie Sie Ihr Verhältnis zu Günther Bamms Lebensgefährtin beschreiben würden, der Apothekerin Mirabeau Sehender?«
Hedwig Kohler zeigte keine Reaktion. Weder überraschte sie das Wort Lebensgefährtin, noch die mit Nachdruck gestellte Frage. Sie antwortete leise und ohne die Augen zu heben. »Ich habe erst vor einiger Zeit von dieser Frau erfahren, aber … wir kannten uns nicht, also gab es auch kein Verhältnis irgendwelcher Art zwischen uns.«
»Sie hat es nicht gestört?«
»Nein.« Die Antwort kam schnell.
»Ihr Mann wusste von Ihrer Beziehung zu Günther Bamm«, stellte Lydia Naber fest.
Hedwig Kohler nickte.
»War er es, der Ihr Verhältnis mit Günther Bamm … ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll … förderte?«
Hedwig Kohler atmete laut aus und presste die Lippen aufeinander. »Es war jedenfalls kein Grund für Diskussionen.«
»Jedenfalls?«
»Jedenfalls«, kam die Bestätigung etwas trotzig.
»Also wollte Ihr Mann es. Die Fotos waren für ihn, nicht wahr?«
»Ich denke nicht, dass ich mit Ihnen darüber reden möchte«, sagte Hedwig Kohler fest.
Lydia Naber ließ sich auf keine Diskussion ein. »Mirabeau Sehender wurde in der Nacht, als Günther Bamm ermordet wurde, ebenfalls Opfer eines Überfalls. Wir haben sie erst diese Woche gefunden.«
Hedwig Kohler sah ihr zum ersten Mal in die Augen. »Ist sie auch tot?«
Lydia Naber ging auf die Frage nicht ein, wenngleich ihr nicht entgangen war, welches Erschrecken in Hedwig Kohlers Augen aufgeflackert hatte.
»Wir gehen davon aus, dass derjenige, der das getan hat, auch der Mörder von Günther Bamm gewesen ist – die Brutalität ist vergleichbar. Als wir Sie das erste Mal befragten, sagten Sie aus, bei einer Freundin in Reutin gewesen zu sein. Diese Freundin hat das bestätigt. So weit, so gut. Sie sagten, Sie seien auf die Insel gefahren, um Günther Bamm im Bayerischen Hof zu treffen. Das müsste Ihren Angaben nach so gegen dreiundzwanzig Uhr gewesen sein. Da Sie ihn nicht getroffen hatten, sagten Sie uns, seien
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