Heidi Klum - Chamäleongesicht. Biographie (German Edition)
fungiert, hat sie ein darüber hinaus gehendes Interesse am Geschehen in der Show?“
Vanessa Riley: „Ihre Sache ist die – keiner von uns weiß genau, ob das wahr ist, aber ich bin mir da ziemlich sicher – dass sie dieses andere Model, Tyra, gesehen hat. Die hat eine Show, und das war für sie so: Ach, weißt du was? Ich glaube, ich möchte auch eine Show haben. Der Unterschied aber ist, dass Tyra Banks wirklich Persönlichkeit hat und Dinge sagt und nach außen geht und sich ihre Leute holt und interaktiv ist und am Modelgeschäft interessiert und gerne Menschen hilft. Heidi Klum hat uns nie Hilfe angeboten. Kein Gespräch, nichts. Weil sie eine der Geldgeberinnen der Show ist, ist sie Executive Producer. Ich glaube nicht, dass sie irgendwas zur Regie oder dem Stil der Show beiträgt. Ich würde darauf wetten, dass Heidi Klum zu Miramax ging und sagte: Folgend – ich gebe euch 5 Millionen Dollar oder was auch immer, aber ich werde moderieren und ich möchte eine Geldbeteiligung. Sie hat das nur getan, um ihre Karriere zu fördern. Sie hat nicht das geringste Interesse am Designen. Und außerdem weiß sie nichts. Gar nichts. Wenn sie nicht hübsch gemacht ist, trägt sie Flip-Flops und Jeans. Sie hat es nicht mal mit Mode: Sie hat es getan, um ihren Bekanntheitsgrad zu fördern. Sie möchte, dass es mit ihrer Karriere voran geht, möchte weiter kommen, Verschiedenes ausprobieren. Ich glaube, dass ich für alle spreche, wenn ich sage, dass keiner Respekt vor ihr hatte. Das war es, worüber wir gesprochen haben: Um Himmels Willen, diese Person soll uns hier betreuen, und sie lässt sich nicht einmal herab, mit uns zu sprechen. Keine andere war so enttäuschend wie sie.“
In der Fernsehsendung selbst lassen die anderen Kandidaten nicht erkennen, dass sie diese Einschätzung Rileys teilen. Zumindest vor der Kamera lächeln sie Heidi an, hören ihr zu und scheinen sie zu mögen. Haben sie Knebelverträge unterschrieben, die dieses Verhalten erklären? Eher nicht. Nach der Sendung wird sich zumindest einer von ihnen, Sieger Jay McConnally, ebenfalls despektierlich über Heidi äußern. Und er wird dafür auch seine Rechnung bekommen. Bravo wird eine Sendung namens Project Jay produzieren, die das Leben des Jungdesigners nach der Show nacherzählt. Der Höhepunkt ist sein Entwurf eines Kleides für Heidi, das diese dann doch nicht tragen wird – weil es für den Anlass ungeeignet ist. Auch diese Szene ist Reality, also auch vorgeskriptet von einem Drehbuchteam, doch der Tonfall, mit dem Heidi dem ersten Gewinner der Show, die sie berühmt gemacht hat, eine Absage erteilt, ist der einer Chefin, die mit einem entlassenen Angestellten telefoniert.
Der Vorwurf, dass Heidi abseits der Kameras nicht mit Showteilnehmern spricht, wird ihr auch später bei Germany's Next Topmodel begegnen. Wenn man den Ärger einer ausgeschiedenen Kandidatin abzieht, der selbst der große Erfolg im Geschäft verwehrt geblieben ist, bleibt die Tatsache, dass Heidi in dem Augenblick, in dem sie zu Berühmtheit gekommen ist, immer weniger Zeit und Kraft für ihre Projekte bleibt. Sie muss mit ihren Kräften haushalten und beschränkt sich deshalb darauf, ihre Aufgaben zu erfüllen. Darüber hinaus gehende „menschliche“ Kontakte sucht sie am Set nicht mehr. Das darf nicht überraschen, denn das Geheimnis ihres Erfolges als Model besteht auch in Heidis Kunst, ihre Kraft gut einzuteilen. Heidi versteht etwas von Timing. Als Model ist man für die anderen Mitarbeiter am Set wenig mehr als eine Oberfläche, die stundenlang herum stehen kann – wenn man aber vor der Kamera ist, muss man toll aussehen, glänzen, frisch sein wie am ersten Tag. Die eigene Ausstrahlung an- und ausknipsen: Diese Kunst beherrscht jedes Topmodel. Natürlich macht Heidi das dann auch bei ihrer Sendung in Deutschland so. Wenn die Kameras laufen, bemüht sie sich darum, gut vor die Linse zu kommen. Wenn das rote Licht erloschen ist, erlischt auch Heidi als Star und wird eine normale Mutter, die einfach nur mehr nach Hause will. Letztendlich zählen in diesem Beruf – egal, ob das nun der Laufsteg oder eine Fernsehbühne ist – nur das Hervorrufen von Eindrücken im Auge des Betrachters. Der aber schaut nur zu, wenn auch das Aufnahmegerät im Betrieb ist. Und hier zählt das Resultat, und nicht die Umstände, wie sie zustande kamen. Es ist deshalb sofort einsichtig, dass Heidi sich am Set ihrer Show nicht mit den Kandidaten abgibt, bevor nicht auch die Kamera läuft.
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