Heidi Klum - Chamäleongesicht. Biographie (German Edition)
junges Mädchen meine Fantasien in Kleidungsstücke hinein webte und hoffte, jemand würde bemerken, dass ich nicht nur nähte, sondern auch etwas erfand. Pailletten in verschiedenen Farben, funkelnde Strasssteine und gerade und schräge Schnitte sollten aus meinen Entwürfen immer etwas Besonderes machen, sollten anderen auffallen und zeigen, dass die Näherei eine Kunst sein kann. Träume sind etwas Kunstvolles, sind Gespinste, so leicht wie Chiffon, und sie haben die Fähigkeit, dahin zu wehen wie Seidenschals im Wind.“ Diese Reminiszenz fällt in das Jahr 2004, in dem Heidi für das Hamburger Wochenblatt Die Zeit über ihre Träume spricht. Sie klingt hier nachdenklicher als sonst und denkt automatisch an ruhigere Momente ihrer Kindheit. Damals wird aber auch die rastlose Heidi mit der endlosen Energie zur Geltung gekommen sein. Das Ventil dafür war der Drang nach der Bühne, nach Bewegung: „Ich habe schon als Kind gern Theater gespielt. Ich liebte es, auf der Bühne zu stehen. Als Fünfjährige fing ich mit Ballett an und fühlte mich vor einem großen Publikum immer in meinem Element. Während meiner Schulzeit trat ich mit einer örtlichen Tanzgruppe auf – es war nicht der Broadway, aber für unsere Stadt war es ein Riesending – und reiste zu Wettbewerben im ganzen Land.“ Tanzen war für sie die Welt, aber den Berufswunsch einer Tänzerin musste sie früh begraben. Weil sie selbst spürte, dass ihr das Talent dafür und die körperlichen Voraussetzungen fehlten. „Ich habe immer davon geträumt, Tänzerin zu werden. Ich machte Jazztanz, Ballett, Stepptanz schon mit den ersten Lebensjahren, und das dreimal in der Woche. Ich war ungemein ehrgeizig. Ich war vorne das erste Mädchen in der Reihe und wollte weiterkommen. Ich gab mein Bestes. In meinem Inneren aber wusste ich, dass ich nicht gut genug war. Ich konnte nicht so weit grätschen wie andere Mädchen und brachte die Beine nicht so hoch.“
Im Jahr 1990 wird die drei Jahre ältere Claudia Schiffer aus Rheinberg bei Duisburg eine Berühmtheit, als sie auf dem Titelblatt der Vogue landet. Schiffer war 1988 vom Begründer der Agentur Metropolitan in Düsseldorf in der Diskothek Checker's entdeckt worden und ist seither in Paris eines der beliebtesten Laufstegmodels geworden. Der bekannte deutsche Modemacher Karl Lagerfeld ist ihr Mentor. In der Gesamtschule Paffrath wird Claudia Schiffer für viele Modeinteressierte zum Vorbild. Neben ihrer Schönheit ist Schiffer vor allem dafür bekannt, keine klassischen Modelmaße zu haben. Sie ist dünn, hat aber einen großen Busen und wird (wie das auch bei Heidi einige Jahre später der Fall sein wird) dafür berühmt, nicht so hungrig und blass auszusehen wie andere Models, sondern so frisch, natürlich und gesund wie man es zuvor eher von den Filmstars der 1950er Jahre gewohnt war. Wenn eine junge Frau aus einer rheinischen Kleinstadt ohne größere Qualifikationen so weit kommen kann, warum nicht auch Heidi? Die Vorgabe ist da, doch Heidi wird auch bewusst, dass sie in Bergisch-Gladbach sehr isoliert lebt. „Ich kam aus einer kleinen Stadt. Wer in aller Welt sollte mich hier finden?“ erinnert sie sich später. Vielleicht aber gibt es auch andere Bereiche der Modewelt, in die sie vorstoßen kann. Heidi sieht sich in dieser Phase eher in der Rolle einer Modeschöpferin – und wächst doch zugleich spielerisch in ihre heutige Tätigkeit als Model, Designerin und Moderatorin hinein. Im Familienkreis ist sie es, die immer im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht. Die Berufe der Eltern bieten immer neue Anregungen. So wie die Mutter Heidi gern frisiert und ihr immer wieder einen neuen Look angedeihen lässt, gehören auch schon die Kosmetikartikel, die Günther Klum bei 4711 vertreibt, von Anfang an zur Erlebniswelt der Tochter. Später wird sie gemeinsam mit ihrem Vater erfolgreiche Düfte und Schönheitscremes kreieren und vertreiben.
Genau betrachtet ist also das Familienhaus in der St. Konradstraße 2 die Schule für Heidis späteres Leben, und das Leben des heutigen Superstars gleichsam die Fortschreibung der kindlichen Aktivitäten im Elternhaus. Die wohlwollende Vater-Tochter-Beziehung, deren Beginn in der Kindheit gelegt wurde, war von Anfang an gewissermaßen eine berufliche, in der der Tochter die kreative und dem Vater die geschäftliche Rolle zugemessen wurde. Heidis Geburt war die Schöpfung einer Marke, die dann konsequent entwickelt wurde. Wenn Heidi davon spricht, dass sie Polaroidbilder
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