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Heike Eva Schmidt

Heike Eva Schmidt

Titel: Heike Eva Schmidt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Purpurmond
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wie siehst du denn aus?«, fragte sie, und ich zuckte schuldbewusst zusammen: Blitzte das Kupfer des Schmucks etwa unter meinem Morgenmantel hervor? Aber sie deutete nur auf meine Haare, und ich blickte noch mal in den Spiegel. Tatsächlich, ich sah aus, als hätte ich in eine Steckdose gefasst. Meine Haare standen auf der rechten Seite in alle Himmelsrichtungen nach oben und waren auf der linken komplett plattgedrückt. Ich blickte mich suchend nach meiner Bürste um, die ich gleich darauf auf meinem Schreibtisch unter dem Englischbuch erspähte.
    »Du musst dich beeilen, sonst kommst du am letzten Tag vor den Osterferien noch zu spät«, mahnte meine Mutter.
    »Ferien? Ach so, ja klar«, murmelte ich. Offenbar war ich immer noch ziemlich durch den Wind von … ja, von was? Von meinem Alptraum? Oder war ich tatsächlich durch die Zeit gereist?
    »Schätzchen, ist alles okay mit dir?« Meine Mutter musterte mich besorgt.
    »Klar!«, beeilte ich mich, ihr zu versichern. »Ich hab nur schlecht geträumt!«
    »Bist du sicher? Ich meine, ich würde ungern verreisen, wenn du irgendwas ausbrütest, eine Grippe oder so …«, sagte sie, und mir fiel ein, dass meine Eltern ja heute Mittag in den Urlaub aufbrechen wollten. Besser gesagt, »zu einer Studienreise«, so der O-Ton meines Vaters. Es sollte nach Irland gehen, weil die Vorfahren meiner Mutter von dort stammten. Von ihnen hatten sie und ich das rötliche Haar und die blasse Haut geerbt. Sehr zu meinem Leidwesen, denn ich wäre im Sommer gerne mal richtig braun geworden. In Gegenwart all der Strandschönheiten glich ich – passend zu meinem neuen Wohnort – eher der fränkischen Flagge: rote Haare, weiße Haut. Meine Mutter dagegen war stolz auf ihre Wurzeln, weswegen sie mir auch diesen ungewöhnlichen Namen verpasst hatte. Caitlin bedeutete »die Reine« und war eine Form von »Katharina«, wie sie mir schon als Kind erklärt hatte.
    Und jetzt würde sie also mit meinem Vater durch die Heimat ihrer Ahnen gondeln: durch Dublin, Belfast und einen Nationalpark samt altem Kloster, dessen Namen »Clonmacnoise bei Ballinasloe« ich nicht mal annähernd aussprechen konnte. Der Intellektuellentrip meiner Eltern bescherte mir zehn Tage Freiheit. Ich hatte nämlich keine Lust auf historische Gebäude, verfallene Klöster und keltische Gärten. Es war nicht leicht gewesen, sie zu überzeugen, ihre 17-jährige Tochter in den Ferien alleine zu Hause zu lassen. Daher beeilte ich mich, ihr erneut zu versichern, dass mir ganz sicher nichts fehle und sie mit meinem Vater beruhigt in den Flieger steigen könne. »Was soll mir in einem Kaff wie Bamberg schon passieren?«, witzelte ich angestrengt.
    Sie verließ beruhigt das Zimmer, um ihren Koffer fertig zu packen. Ich fasste mir an den Hals, wo unter dem Baumwolltuch der Kupferreif hart und unerbittlich auf meiner Haut lag, und dachte beklommen: Wenn du wüsstest …!
     
    Als ich pünktlich mit dem Schulgong die Tür zum Klassenzimmer öffnete, rechnete ich mit dem Schlimmsten. Einschließlich tosendem Gelächter, weil Sina bereits allen brühwarm erzählt hatte, dass sie mich im Keller des Drudenhauses eingesperrt und ich mir vor Angst in die Hose gemacht hatte.
    Bei meinem Eintreten schnellten ein paar Köpfe herum. Ich wollte mich schon gegen den ersten fiesen Spruch von Sina wappnen, quasi zum Aufwärmen, als ich bemerkte, dass ihr Platz leer war. Verblüfft sah ich zu Lilli, die seltsam, ja, fast ängstlich wirkte. Sie knibbelte an ihren Fingern herum, während Eve mich anstarrte, als sei ich eine Schwarze Mamba, die in der nächsten Sekunde ihre Giftzähne in einem ihrer Fußknöchel versenken wollte. Mia und Rebekka vermieden es gleich ganz, mir ins Gesicht zu sehen, und Lola schien krampfhaft den Eindruck erwecken zu wollen, völlig in die binomischen Formeln versunken zu sein.
    Ich war verwirrt. Weil mir immer noch jede Erinnerung fehlte, wie ich mich gestern Nacht aus dem Kellerverlies befreit hatte, fragte ich mich, ob Sina nicht doch zurückgekommen war und von mir die Tracht Prügel ihres Lebens kassiert hatte. Ihre Abwesenheit und die angstvollen Blicke ihres Hofstaats ließen diese Möglichkeit durchaus realistisch erscheinen. Ich hoffte nur, Sina hatte keine älteren Brüder, denn bei dieser ganzen Blutrachekiste hätte ich als Einzelkind ziemlich schlechte Karten.
    In der Pause betrat ich die Mädchentoilette, gerade als Mia sich vor einem fleckigen Spiegel die Lippen nachzog. Vor Schreck verrutschte ihr der

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