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Heike Eva Schmidt

Heike Eva Schmidt

Titel: Heike Eva Schmidt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Purpurmond
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weiteren halben Stunde stand ich etwas außer Atem vor einem windschiefen Häuschen, dessen Fassade dringend einen neuen Anstrich benötigt hätte. Ebenso die Haustüre, deren ehemals dunkelblaue Farbe einer verwaschenen Jeans glich. Das einzig Auffällige war der Türklopfer: ein rundes Gesicht aus Messing mit hervorquellenden Augen, einer platten Nase und einem Ring in einem grinsenden Mund. Ich ergriff den kaltmetallenen Griff und ließ ihn herunterfallen. Ungefähr eine halbe Minute lang rührte sich nichts. Als ich schon die Hand ausstreckte, um erneut zu klopfen, erklangen schlurfende Schritte im Inneren, und eine Stimme, hoch und rau wie die eines Bussards auf Mäusejagd, rief: »Ich kaufe nichts. Gehen Sie wieder, gehen Sie!«
    Na, das fing ja gut an. Erst wurde ich verflucht und jetzt offenbar noch für einen Ex-Knacki gehalten, der Zeitschriftenabos verscherbeln und gutmütige alte Damen reinlegen wollte. Ich räusperte mich und versuchte, seriös und vertrauenerweckend zu klingen.
    »Frau Hahn, ich will Ihnen nichts verkaufen. Und ich bin keine Zeugin …« Ich stockte. Ausgerechnet jetzt fiel mir der Name von diesen Leuten nicht mehr ein, die einen an der Haustür bekehren wollten. »Ich heiße Caitlin Mahr. Professor Körner von der Universität hat mir Ihre Adresse gegeben«, fuhr ich fort und hoffte, der Name des Experten würde sie besänftigen.
    Tatsächlich wurde die Tür abrupt aufgerissen. Die Frau, die zum Vorschein kam, hatte mit einer Hexe ungefähr so viel Ähnlichkeit wie ein Hollywood-Star mit einem Brummifahrer: Unter einer verwaschenen Cordhose lugten ausgelatschte Filzpantoffeln hervor. Das nicht gerade modische Ensemble wurde durch ein buntkariertes Männerhemd vervollständigt, dessen zu lange Ärmel über ihre mageren Handgelenke gekrempelt waren. Das runzlige Gesicht, das unter kurzgeschnittenen, schlohweißen Haaren durch den Türspalt starrte, sah alles andere als freundlich drein.
    »Kommen Sie von einem dieser selbsternannten Esoterik-Hexenzirkel? Dann können Sie gleich wieder gehen. Ich rede nicht mit Leuten, die glauben, sie hätten magische Kräfte, nur weil sie mal ein paar trockene Blätter verbrannt haben«, keifte sie aus ihrem faltigen Mund. Zwei blaue Augen, kalt und hell wie die eines Huskys, funkelten mich feindselig an.
    Upps, da hat wohl jemand schlechte Erfahrungen gemacht, dachte ich. Doch ich gab nicht auf. Hier ging es um einen handfesten Fluch und nicht darum, wie an Halloween ein paar Gummibärchen abzustauben.
    »Nein, ich bin hier, weil ich … Also, ich brauche Ihre Hilfe«, sagte ich entschlossen. Und fügte tapfer hinzu: »Ich glaube nämlich, ich bin verflucht.«
    Als Antwort knallte sie mir die Tür vor der Nase zu. Na super, dachte ich, da sagt man einmal die Wahrheit – und das ist der Dank. Gleich darauf überfiel mich eine tiefe Verzweiflung. Und auch meine neue Bekannte, die nachtschwarze Angst, pirschte sich an mich heran. Ich musste diesen Halsreif loswerden, koste es, was es wolle. Energisch betätigte ich erneut den Türklopfer, heftiger und lauter als beim ersten Mal.
    Prompt flog die Tür wieder auf. Die Miene der alten Frau war diesmal nicht nur unfreundlich, sie war geradezu furchterregend. Ehe sie eine Schimpftirade vom Stapel lassen konnte, riss ich mein Tuch vom Hals und deutete auf das kupferne Halsband. »Hier! Wenn Sie das abmachen können, bin ich sofort weg und lasse Sie für immer in Ruhe, versprochen.«
     
    Die kleinen Butzenfenster in der Stube von Margret Hahn ließen nur wenig von dem gelbweißen Maisonnenlicht herein, so dass die Umrisse der geschnitzten Kommode und des samtbezogenen Sofas in einem gedämpften Dämmerlicht erschienen. Ich hatte eine Tasse Johanniskrauttee in der Hand und nippte vorsichtig an der heißen Flüssigkeit.
    »Trink, das wird dich beruhigen«, hatte mir die alte Frau befohlen. Sie war wie verwandelt, nachdem sie selbst versucht hatte, mir den Schmuck abzunehmen. War sie anfangs überzeugt gewesen, ich hätte mir einen dummen Scherz mit ihr erlaubt, hatte sich ihre Skepsis schnell in Verblüffung und schließlich in Bestürzung verwandelt, als auch sie den Halsreif nicht abbekommen und ich ihr die ganze Geschichte von der Party und meinem anschließenden Fund im Drudenkeller erzählt hatte. Sie hatte mich hereingewunken und in den Ohrensessel in ihrem Wohnzimmer gedrückt. Dann war sie in ihre Küche verschwunden. Dort hörte ich sie herumgehen, wobei sie unverständliches Zeug vor sich hin murmelte.

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