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Heike Eva Schmidt

Heike Eva Schmidt

Titel: Heike Eva Schmidt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Purpurmond
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würde.
    Verflucht – ja genau, das war es! Schließlich stammte das Ding von einem Ort, an dem man Hexen gefangen gehalten hatte. Vielleicht lag auf dem Schmuck ja ein Bannfluch. Und mich hatte es erwischt. Vielleicht zur Strafe, weil ich im Drudenhaus hatte Party machen wollen, vielleicht aber auch, weil ich es gewagt hatte, den Schmuck samt Schriftrolle aus seinem Versteck zu holen. Ich wusste zwar nicht, was ich verbrochen hatte, aber eins war mir klar: Ich musste den Fluch lösen – und zwar so schnell wie möglich, sonst wären nicht nur meine Ferien im Eimer.
     
    »Sie sollen also ein Referat über Hexen halten. Fleißig, fleißig, dass Sie sich in den Ferien schon an die Arbeit machen!«
    Der ganz in Tweed gekleidete Geschichtsdozent musterte mich wohlwollend durch seine colaflaschendicken Brillengläser. Unter dem Vorwand, eine Arbeit für die Schule schreiben zu wollen, hatte ich bei der Bamberger Universität angerufen und nach einem Experten für die Zeit der Hexenprozesse in Bamberg gefragt. Eine nette Sekretärin hatte mich an das Kulturreferat verwiesen, und die hatten mir schließlich die Nummer von Professor Körner gegeben.
    Gleich am nächsten Tag suchte ich ihn in seinem Büro auf, das von Papierstapeln, Ordnern und benutzten Teetassen nur so überquoll. Es sah aus wie bei der verrückten Teegesellschaft in »Alice im Wunderland«. Und Körner ist das verwirrte weiße Kaninchen, dachte ich. Der freundliche Mittsechziger wurde dem Klischee des zerstreuten Professors absolut gerecht, doch hinter der Maske des teeschlürfenden Messies verbarg sich ein kluger Kopf mit schier unerschöpflichem Wissen.
    Mir dröhnte der Schädel von all den Fakten und Namen wie »Johann Georg II., Fuchs von Dornheim« oder »Malleus Maleficarum – der Hexenhammer«. Bamberg schien im 17. Jahrhundert die Hochburg der Hexenverfolgung gewesen zu sein. So viele Scheiterhaufen wie in dieser Stadt hatten sonst nirgends gebrannt. Ganz abgesehen von den abscheulichen Praktiken, mit denen zwischen 1595 und 1633 fast 1000 angeklagte »Hexen« und »Zauberer« gefoltert worden waren. Nach einer Stunde Vortrag beschloss ich, das Abendessen heute ausfallen zu lassen – mir war angesichts der Schilderungen von gequetschten Schienbeinen, ausgekugelten Schultergelenken und zertrümmerten Daumenknochen der Appetit vergangen. Trotzdem musste ich langsam mal zur Sache kommen.
    »Glauben Sie … ich meine, gibt es vielleicht tatsächlich Hexen? Also Menschen, die magische Kräfte besitzen?«, fragte ich und hoffte, der Professor würde nicht gleich in schallendes Gelächter ausbrechen. Er schwieg einen Moment und nahm seine Brille ab, um sie zu putzen. Ohne die beiden Glasbausteine auf seiner Nase sah er plötzlich viel jünger und irgendwie schutzlos aus.
    »Ich erlaube mir kein Urteil über diese Dinge«, sagte er schließlich in seiner gewählten Ausdrucksweise, die mir von Anfang an bei ihm aufgefallen war. »Schon Shakespeare ließ seinen Hamlet sagen, es gäbe mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als der Mensch sich vorzustellen vermag.«
    Er blickte nachdenklich auf die Kastanie vor dem Fenster, die in voller Blüte stand und mit ihren roten, dicken Knospen protzte. Ich wollte ihn gerade zu Flüchen befragen, als er wieder zu reden anfing: »Angeblich ist noch eine hier in Bamberg«, sagte er wie zu sich selbst.
    »Was?«, fragte ich verwirrt und dachte, dass hier in der Umgebung doch eine Menge Kastanienbäume wuchsen.
    »Eine Hexe«, meinte er und schien langsam wieder in die Wirklichkeit zurückzukehren.
    Ich war wie elektrisiert. In meinem Magen kribbelte es, und ich fühlte mich so hellwach, als hätte ich zwei Dosen Energydrink plus einen starken Espresso gekippt. »Wo? Ich meine, wo finde ich sie?«, fragte ich hastig.
    Der Professor wiegte den Kopf hin und her und kniff die Augen zusammen. »Sie wohnt im Zinkenwörth 13«, sagte er.
    Für eine Hexe genau die richtige Adresse, dachte ich. Zumindest, wenn ihre Nase genauso aussah wie auf den Abbildungen der Märchenbücher.
    Die Anspannung ließ mich albern kichern, doch zum Glück fuhr Körner in diesem Moment fort: »Ich bin mir nicht sicher, ob die Frau Sie empfangen wird. Sie ist … wie soll ich sagen … etwas eigen.«
    »Das geht schon in Ordnung, Herr Professor, ich versuche es einfach mal. Vielen Dank, dass Sie sich Zeit genommen haben, Wiedersehen«, ratterte ich herunter, ehe ich hastig meine Sachen zusammenraffte und aus dem Büro stürmte.
     
    Nach einer

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