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Heike Eva Schmidt

Heike Eva Schmidt

Titel: Heike Eva Schmidt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Purpurmond
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knallrote Lippenstift, so dass sie wie ein verängstigter Clown aussah. Fast hätte ich gelacht, doch dann überlegte ich, dass ich ihre offensichtliche Furcht vor mir ein bisschen ausnutzen könnte.
    Demonstrativ blieb ich mit verschränkten Armen vor der Tür stehen, so dass der einzige Fluchtweg die kleine Fensterluke in einer der Kabinen gewesen wäre. Mia blieb erstarrt am Waschbecken stehen wie ein Damwild im Licht eines Autoscheinwerfers.
    »Na, Mia – war es gestern noch lustig? Bestimmt habt ihr euch den Arsch weggelacht, als ihr euch ausgemalt habt, wie ich da unten im Keller hocke, stimmt’s?«, fragte ich zuckersüß.
    Mia ruckte nervös mit dem Kopf, wie ein Pferd, das gleich dem Schlachter vorgeführt werden sollte.
    »Ich … wir wussten nicht, was Sina vorhatte, ehrlich«, fiepte sie und setzte hastig nach: »Wir haben ihr gesagt, sie soll dich rauslassen. Aber … aber als wir nach einer Stunde wieder runtergegangen sind, warst du ja schon weg.«
    »Wie – weg?« Nun war es an mir, dumm zu gucken.
    »Na, der Kellerraum war doch leer. Sina hat echt ’nen Wutanfall gekriegt, weil du es aus dem Fenster nach draußen geschafft hast. Wie hast du das bloß hingekriegt, dich dabei nicht an den vielen Scherben im Fensterrahmen zu schneiden?« Mia musterte mich prüfend, als suche sie nach Schnittwunden und Kratzern.
    Wenn ich das wüsste, dachte ich. Laut sagte ich: »Tja, Mia, das war wohl die uralte Hexenmagie, die mich aus dem Keller gezaubert hat. Hokuspokus!«
    Ich sah, wie Mia trocken schluckte, als wäre ihr eine Erdbeere die Kehle hinuntergerutscht.
    »Das hab ich Sina auch gesagt«, flüsterte sie verschreckt. »Und auch wenn die total angepisst war … als sie deine Botschaft an der Wand gesehen hat, da ist ihr ganz schön die Düse gegangen!«
    »Welche Botschaft?«, fragte ich verständnislos. Als ich in dem Raum eingesperrt gewesen war, hatte ich weder Graffiti noch sonst irgendwelche Schmierereien auf den alten Steinen entdecken können.
    Mias Augen wurden so groß wie zwei Untertassen. Kaum hörbar würgte sie heraus: »Na: ›Hexe, Hexe, du sollst brennen‹! Das stand doch mit Kohle oder so quer über die Mauer geschrieben …!«
    Für einen Moment wurde mir schwindlig. In was war ich da unten in dem Hexenverlies nur reingeraten? Unwillkürlich trat ich einen Schritt zur Seite und lehnte mich an die gekachelte Wand. Wie ein Marder, der aus seiner Falle entkommen war, wieselte Mia an mir vorbei zur Tür. Sie hatte ganz vergessen, sich die rote Lippenstiftspur abzuwischen. Trotz meiner Verwirrung konnte ich es mir nicht verkneifen, ihr noch schnell meinen Zeigefinger in den Rücken zu bohren und »Buh!« zu rufen.
    Mia schoss mit einem spitzen Aufschrei in den Schulflur hinaus, als hätte jemand eine Rakete an ihrem jeansbekleideten Hinterteil gezündet.
    Hallo Cat-Schatz, wir sind dann mal weg. Pass auf dich auf und mach keinen Unsinn. Wenn was ist: Unsere Handys sind immer an! Küsschen, deine Eltern
    Der Zettel klebte an der Küchentür. Ich spürte ein Ziehen im Magen, als ich die vertraute Handschrift meiner Mutter sah, eine Mixtur aus Wehmut und Erleichterung. Nun war zehn Tage lang niemand mehr da, der sich freute, wenn ich mittags nach Hause kam. Der fragte, ob ich etwas essen wolle oder was ich den Tag über so gemacht hätte. Andererseits brauchte ich in unseren eigenen vier Wänden dann auch nicht ständig mit einem Tuch um den Hals herumlaufen. Zehn Tage würde keiner nach meinem ungewöhnlichen Halsschmuck fragen. Und bis meine Eltern zurück waren, wäre ich dieses verflixte Ding hoffentlich losgeworden. Entschlossen stapfte ich die Kellertreppe hinunter, auf der Suche nach dem Werkzeugkasten meines Vaters.
    Eine halbe Stunde später stand ich schweißgebadet vor dem Spiegel. Ich hatte wirklich alles versucht. Aber weder die Spitzzange – »gekröpft 160 mm mit Seitenschneiderfunktion« – noch der Metallschneider hatten Wirkung gezeigt: Der Kupferreif war nicht zu durchtrennen, ja, er blieb völlig unversehrt. Obwohl ich das Metall zum Schluss mit roher Gewalt zwischen die Zangenenden geklemmt und mit aller Kraft zugedrückt hatte, hatte es keinen einzigen Kratzer davongetragen. Meine Hände zitterten, als wäre ich stundenlang bei Minusgraden Ski gelaufen. Ich war nicht nur vollkommen erledigt, sondern ich hatte auch Angst. Weil ich spürte, dass es hier nicht mit rechten Dingen zuging. Und weil ich nicht wusste, ob ich dieses verfluchte Halsband je wieder loswerden

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