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Heike Eva Schmidt

Heike Eva Schmidt

Titel: Heike Eva Schmidt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Purpurmond
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Förg zurückkommen …«
    Dorothea unterbrach sie hastig. »Ich weiß, Grete. Und ich verspreche Euch, auf mich achtzugeben. Ihr aber – bitte gebt ebenfalls acht. Ich würde es mir nicht verzeihen, wenn …«
    Diesmal war es die Alte, die Dorothea ins Wort fiel: »Ich weiß mich zu schützen. Nun lauf nach Haus und lass uns beide beten, dass dies das letzte Mal war, dass wir den Richter zu Gesicht bekommen haben …«
    Dorothea nickte, drückte Grete noch einmal beide Hände, ehe sie den Krug mit Milch nahm und ging. Sie sah nicht, wie die alte Frau ihr nachblickte. Ihr Gesicht war ernst und besorgt, als sie leise vor sich hin murmelte: »Wir müssen beten. Denn wenn Förg wiederkommt, dann gnade uns Gott!«
     
    Die nächsten zwei Tage waren die schönsten in Dorotheas Leben. Draußen schien die Sonne warm vom Maihimmel, und die weißen Birken hatten ein Kleid aus zartgrünen Blättern, wie Bräute, die sich für den Sommer schmückten. Zahllose Blumen brachen mit Macht durch die dunkle Erde und schmückten die Wiesen wie ein bunter Teppich. Hand in Hand liefen Dorothea und Daniel durch ein Meer wilder Lupinen und lachten ausgelassen, als er mit dem Blütenstaub eines Löwenzahns einen gelben Fleck auf ihre Nase malte. Dorothea fühlte sich seit langer Zeit endlich wieder frei.
    Am Morgen des dritten Tages ging sie zu Grete, um ihr das kleine Krüglein zurückzubringen, in das die Alte ihr die Milch gefüllt hatte. 20 Schritte vor dem Haus der Alten lag ihre Katze in der Sonne. Dorothea lächelte, weil das Tier den Frühling ebenso zu genießen schien wie sie. »Na, kleiner Streuner, lässt du dir den Pelz wärmen?«, fragte sie und schnalzte leise mit der Zunge.
    Das Kätzchen rührte sich nicht. Beim Näherkommen sah Dorothea, warum. Ein dünnes Rinnsal getrockneten Blutes klebte an seiner Nase und lief ihm wie eine rostbraune Tränenspur zum Kinn. Dorothea fiel auf die Knie. Vielleicht konnte sie dem Tier noch helfen … Doch als sie den kleinen Körper hochhob, fiel der Kopf der Katze schlaff nach hinten und pendelte haltlos hin und her. Das Genick war gebrochen. Mit Sicherheit war es kein anderes Tier gewesen, das es so zugerichtet hatte, sondern ein Mensch. Ein Mensch, in dessen Herz die Grausamkeit wohnte, und für den eine kleine Katze nur der Anfang war: Richter Förg. Und da wusste Dorothea, dass Gretes Zauber nicht gewirkt hatte.
    Behutsam legte sie das Kätzchen zurück auf die Erde, ihre Tränen tropften auf das gefleckte, stumpf und struppig gewordene Fell. Immer waren es die Wehrlosen, die der Richter sich vornahm.
    Gleich darauf kam ihr ein noch viel schrecklicherer Gedanke: Wenn der Richter Gretes Katze schon so etwas angetan hatte, was hatte er dann erst mit der alten Frau gemacht? Ihr Verstand befahl Dorothea, sofort nachzusehen, doch ihre Beine waren wie festgewachsen. Als hätte sie ein plötzliches Fieber übermannt, begann sie, unkontrolliert zu zittern. Um ihre Beherrschung zurückzugewinnen, krallte sie sich die Finger in die Oberarme, bis ihre Nägel kleine, schmerzende Halbmonde auf ihrer Haut hinterließen.
    In diesem Augenblick hörte sie Schritte. Als Dorothea aufblickte, sah sie die alte Grete auf sich zukommen. Doch das Gefühl der Erleichterung, dass der Nachbarin nichts passiert war, dauerte nur Sekunden. Der Blick der Alten war starr auf den verdrehten Körper des Kätzchens gerichtet. Ohne Dorothea eines Blickes zu würdigen, blieb sie vor dem toten Tier stehen. Lange blickte sie auf es herab, dann wandte sie sich ab.
    »Grete … es tut mir so leid …«, begann Dorothea, doch ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, als hätte sie eine Handvoll Sand verschluckt, der ihre Stimme unter sich begrub und in ihrer Kehle kratzte.
    Die alte Frau schüttelte nur stumm den Kopf. »Ich hab es gesehen«, flüsterte sie. »In der Nacht ist der Tod um mein Haus gestrichen. Und er trug das Gewand eines feinen Herrn …«
    Gretes Pupillen schienen fast durchsichtig von den Tränen, die ihr in den Augen standen, doch sie weinte nicht. Ihre rechte Hand klammerte sich um den schmalen Reif an ihrem Hals.
    »Um dich tut’s mir leid, Mädchen. Jetzt kann ich dir nicht mehr helfen«, sagte die Alte tonlos, ehe sie sich abwandte und langsam davonschlurfte, als hätte sie eine schwere Kraxe auf dem Rücken, deren Last sie kaum zu tragen vermochte.
    Ohne einen klaren Gedanken fassen zu können, drehte Dorothea sich um und ging mit steifen Schritten zurück zu ihrem Häuschen. Dass sie immer noch

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