Heike Eva Schmidt
sie je eine Ehe mit einem solchen Unhold eingehen? Aber was würde die Alte tun? Ihre Katze opfern, um Dorothea zu retten? Zitternd hockte sie in ihrem Versteck, voller Angst, was Grete wohl antworten würde.
»Verschont meine Katze. Ich will Euch Euren Wunsch erfüllen«, sagte die alte Frau schließlich tonlos.
Dorothea zuckte zusammen. Durch die Bodenritze sah sie, wie die Füße ihrer Nachbarin geschäftig über den Boden schritten, dazu hörte sie ein trockenes Rascheln. Offenbar pflückte die Alte verschiedene Kräuter, die in Bündeln von ihrer Zimmerdecke hingen. Sie murmelte unverständliche Formeln, während ein würziger Duft die Stube erfüllte und bis in Dorotheas Kellerversteck zog.
Nach wenigen Minuten schien der Liebestrank fertig zu sein, denn Grete sagte kühl: »Hier, nehmt. Trinkt dies um Mitternacht, und verbrennt die Kräuter über einer schwarzen Kerze, die ich Euch mitgeben will. Geht dreimal im Kreis, so wie die Sonne am Tag den Himmel durchwandert. Binnen dreier Tage sollte die Wirkung eintreten …«
Dorothea fühlte Ekel in sich aufsteigen, als hätte sie in eine Schlangengrube gefasst und würde die sich windenden Leiber ertasten.
»Nun also, Haanin. Ging es ja doch«, säuselte der Richter, und seine Stimme triefte vor Zufriedenheit.
Ein Plumps, ein Fauchen, dann sah Dorothea die Pfoten der Katze über die Dielen schlittern, als sie sich panisch vor Förg in Sicherheit brachte.
»Ihr habt, was Ihr wolltet. Geht nun«, hörte Dorothea die Alte müde sagen.
Wortlos drehte Förg sich um und schritt zur Tür. Ein helles Klingeln ertönte, und Dorothea sah zwei Silbermünzen, die auf die Holzdielen fielen, dort kurz kreiselten, ehe sie liegenblieben und durch die Bodenritze zu Dorothea herabfunkelten wie ein kaltes, triumphierendes Augenpaar. Dann hörte sie die Tür zuschlagen: Förg war fort.
Eine Ewigkeit schien zu vergehen, ehe Grete die losen Dielenbretter hochstemmte. Als das milchige Tageslicht Dorotheas Gesicht traf, blinzelte sie, konnte sich aber nicht rühren. Die Angst vor Förg und dem Liebeszauber, der in Kürze ihren Geist lähmen und sie zum willenlosen Werkzeug machen würde, ließ sie bewegungslos in dem Hohlraum kauern, wie ein gefangenes Tier im Käfig.
Da spürte sie die harte, schwielige Hand der Alten, die ihr energisch, aber freundlich die Wange tätschelte.
»Keine Angst, Mädchen. Förg soll keine Macht über dich haben. Den Liebeszauber, den er verlangt, habe ich ihm nicht gegeben.«
Nur allmählich sickerten die Worte in Dorotheas Bewusstsein. Dann aber durchflutete sie ein befreiendes Gefühl, als wäre nach einer langen, dunklen und stürmischen Nacht endlich wieder ein freundlicher Tag angebrochen. Doch die Wirklichkeit holte sie wieder ein.
»Förg wird merken, dass der Trank nicht wirkt. Er wird zurückkommen und Euch strafen – und mich mit Gewalt zwingen, sein Weib zu werden!«, sagte sie verzweifelt.
Grete half Dorothea aus dem Kellerloch heraus. Sie schwieg einen Moment, ehe sie zum Sprechen ansetzte: »Ich habe Förg einen Zauber mitgegeben, Dorothea. Aber nicht, um dich an ihn zu binden. Der Trank und die Kräuter sind für IHN. Damit soll er von seiner elenden Gier nach dir erlöst werden.«
Dorothea schnappte nach Luft. Nicht vor Entsetzen, sondern vor Bewunderung für die Klugheit der alten Frau.
Grete sah die Hoffnung in dem schönen Gesicht des Mädchens aufflammen und hob abwehrend beide Hände. »Ich kann nichts versprechen, Dorchen. Förg ist besessen von der Vorstellung, dich zum Weibe zu bekommen. Ich weiß nicht, ob es mir mit meinen bescheidenen Kräften gelingt, die Dämonen seiner dunklen Leidenschaft zu vertreiben.«
»Könnt Ihr es denn nicht vorhersehen? So wie Ihr Förgs Kommen gespürt habt?«, fragte Dorothea vorsichtig.
Die Alte schüttelte den Kopf. »Die Ahnungen kommen, wann sie wollen. Ich kann’s leider nicht bestimmen.«
Doch Dorothea war zuversichtlich. Wenn die Frau es fertigbrachte, selbst adligen Damen, die seit Jahren vergeblich auf ein Kind hofften, ihren sehnlichsten Wunsch zu erfüllen, dann hatte sie bestimmt auch die Kraft, Förgs unselige Begierde zu zähmen. Und dann wäre der Weg endlich frei für sie und Daniel. Dorothea wollte sich bei Grete bedanken, doch die schüttelte den Kopf.
»Dank mir nicht, Kind. Noch ist es zu früh und außerdem: Niemand, der ein Herz im Leib hat, könnte dich guten Gewissens dem schrecklichen Richter überlassen. Nun warte ab, aber sei auf der Hut. Sollte
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