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Heike Eva Schmidt

Heike Eva Schmidt

Titel: Heike Eva Schmidt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Purpurmond
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Entsetzen die Kinnlade runter. Da war mein Einstand in der neuen Klasse ja ein Klacks gewesen – und das trotz Sina und ihres Zickenclubs! Empört fragte ich: »Sag mal, geht’s noch? Wieso schikanieren die dich so?«
    »Es sollte meinem Seelenheil dienen, Cat. Die Mutter Äbtissin lehrte mich, dass wir nur in völligem Schweigen und in der Einsamkeit zu Gott finden«, murmelte Dorothea.
    Ich merkte, dass sie selbst nicht so recht daran glaubte. Kein Wunder, die totale Isolation musste einen ja verrückt machen. Zwar hatte man Dorothea nach ein paar Tagen aus der Zelle befreit, viel besser war ihre Situation aber trotzdem nicht geworden, denn die Nonnen hatten ein Schweigegelübde abgelegt.
    Dorotheas Stimme kratzte vor unterdrückten Tränen: »Ich bewundere meine Mitschwestern für ihre Kraft und ihre Hingabe zu Gott. Aber ich fühle mich so eingesperrt, Cat.«
    Ich konnte nur stumm nicken. Ich dachte an die Telefonate mit meinen beiden Schulfreundinnen in Sylt, die alltäglichen, so selbstverständlichen Gespräche mit meiner Mutter über alles, was mich bewegte, und die Frotzeleien mit meinem Vater, wenn er von der Arbeit kam. Wäre all das mit einem Schlag nicht mehr möglich, und ich dürfte jeden Tag nur noch für ein paar Minuten sprechen – und dann auch noch ausschließlich Gebete –, es würde mich killen. Vor lauter Mitleid zog sich mein Herz zu einer harten Kugel zusammen.
    Dorothea starrte vor sich hin und flüsterte: »Allein wenn mich die Mutter Äbtissin hier sähe … ohne Schleier und das Abendgebet versäumend … Es käme für sie einer schrecklichen Verfehlung gleich.«
    Sie holte tief Luft, was eher wie ein Schluchzen klang, und blickte in den Himmel, den die Abendröte in einem flammenden Lilaorange färbte. Wie schwarze Scherenschnitte glitten die Silhouetten zweier Krähen an uns vorbei.
    »Gott, wie ich die Vögel beneide. Sie sind frei und können fliegen, wohin sie wollen. Ich lebe nicht, Cat, ich existiere nurmehr. Ich befinde mich so oder so im Gefängnis. Nur, dass dieser Weg nicht auf den Scheiterhaufen, sondern ins Paradies führt. Das wollen sie mir zumindest einreden«, sagte sie, und ich erschrak über die Bitterkeit in ihrer Stimme. Doch ich konnte ihr nicht helfen. Im Gegenteil: Ich musste ihr sogar dringend raten, weiterhin im Schutz der hohen Klostermauer zu leben. Nur so würde sie am Leben bleiben – und ich dazu.
    Sie nickte verzagt, als ich sie warnte. »Ich weiß, dass ich mich vor Förg hüten muss. Aber … Es ist so schwer, das Schweigen hier zu ertragen. Immer in diese stummen, strengen Gesichter zu blicken. Meine Seele verkümmert wie eine Blume ohne Wasser, Cat!«
    »Ich kann dir leider nicht helfen, Dorothea«, sagte ich leise. Hätte ich ihr verraten sollen, welch grauenhaftes Schicksal in Bamberg auf sie wartete? Und wie hätte ich ihr klarmachen können, woher ich das alles wusste? Daher drückte ich nur ihre Hand und sagte eindringlich: »Aber wenn du das Kloster jetzt verlässt, bist du in großer Gefahr. Du musst mir versprechen, hier auszuharren. Nur noch eine Weile, aber es ist sehr wichtig. Lebenswichtig, hörst du?!«
    Dorotheas Augen schwammen in Tränen. »Ich habe doch sowieso nichts mehr, Cat. Meine Freiheit hat mir Förg genommen. Wegen ihm bin ich hinter diesen Mauern. Und nun hat sich auch noch Daniel von mir abgewandt …« Wieder schluchzte sie auf, ehe sie fortfuhr: »Er will mich nie wiedersehen. Die Furcht vor seinem Vater ist zu stark.«
    »Ja, aber er hat doch nur Angst um dich«, versuchte ich, sie aufzubauen.
    Dorothea schüttelte müde den Kopf. »Nein, Cat. Ich spüre, dass ich ihn verloren habe. Ich habe alles verloren, was mir lieb und teuer war. Warum also noch hierbleiben und mich vor Förg verstecken? Vielleicht sollte ich einfach von Bamberg fortgehen und irgendwo ein neues Leben beginnen, so wie du mir einst geraten hast. Nur eben alleine …«
    Ich bekam ernsthaft Muffensausen. Wer wusste schon, wozu Dorothea in ihrem Liebeskummer fähig war? Am Ende würde sie tatsächlich noch ihren Novizinnenschleier samt Klosteraufenthalt hinschmeißen. Und dann würde sich die Prophezeiung der Geschichtsdokumente, die ich bei Professor Körner gesehen hatte, garantiert erfüllen. Wenn ich das verhindern und den Fluch lösen wollte, musste ich eingreifen. Im Prinzip hatte ich keine andere Möglichkeit, als ihr die Wahrheit zu sagen. Zumindest einen Teil davon.
    »Dorothea, hör zu … Das, was ich dir jetzt sage, mag verrückt klingen,

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