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Heike Eva Schmidt

Heike Eva Schmidt

Titel: Heike Eva Schmidt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Purpurmond
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umgedreht und floh förmlich zur Kapelle zurück. Wahrscheinlich, um ihre Mitschwestern zu Hilfe zu rufen. Oder sie würde gleich einen Exorzisten holen.
    »Wir müssen hier weg«, sagte ich an Dorothea gewandt. Doch die stand wie festgefroren auf ihrem Platz und starrte der Äbtissin hinterher. Sie war weiß bis an die Lippen, alles Blut war aus ihrem Gesicht gewichen.
    »Oh Shit, es tut mir so leid!«, rief ich. Dorothea rührte sich nicht von der Stelle. Ich fasste sie an den Schultern und rüttelte sie sanft, wie um sie aufzuwecken.
    »Dorothea, hörst du mich? Vielleicht, wenn du noch mal zu ihr hingehst und ihr alles erklärst …«, fing ich an, doch sie schüttelte nur stumm den Kopf.
    »Es ist sinnlos, Cat. In ihren Augen bin ich befleckt von der Sünde«, sagte sie stockend. »Ab jetzt bin ich eine Ausgestoßene.«
    Erst nach ein paar Sekunden drang die Bedeutung ihrer Worte zu mir durch. Dann aber brannten sie sich wie das glühende Ende einer Zigarette in mein Herz, und panische Angst ergriff mich. Wenn Dorothea das Kloster verließ, verlor sie jeglichen Schutz vor dem Zugriff Förgs.
    »Dorothea, nein, das darfst du nicht«, rief ich. Mir wurde schwindelig bei der Vorstellung, dass sich die niedergeschriebene Geschichte der Dorothea Flock nun doch noch auf schreckliche Weise erfüllen würde. Durch meine Schuld.
    »Hör zu, ich muss dir noch etwas sagen«, setzte ich erneut an, doch ich merkte, dass mir die Zunge schwer wurde, als hätte ich mehrere Gläser Wein gekippt. Der Schwindel verstärkte sich und purpurschwarze Kreise begannen, vor meinen Augen zu tanzen. Alles drehte sich, und ich wusste, ich wurde wieder in den Zeitstrudel gezogen.
    »Neiiiiiin«, schrie ich, und meine Stimme schien durch einen langen Tunnel zu hallen. Ich versuchte, nach Dorotheas Hand zu greifen, mich irgendwo festzuhalten, doch da war nur Leere.
    »Cat«, hörte ich Dorothea verzweifelt meinen Namen rufen. Sie klang, als käme sie von weit her. »Caaaat!«
    Aber schon wurde ich herumgewirbelt, ehe die Schwärze mich verschluckte wie ein Haifisch seine Beute – und ich wusste, es war zu spät.

Kapitel 10
    D iesmal dauerte es länger, bis ich wieder richtig zu mir kam. Als ich im gleißenden Licht der Frühsonne die Augen aufschlug und die vertrauten Deckenbalken meines Zimmers erkannte, dröhnte mir der Schädel, als wäre er eine riesige Glocke, die gerade das Mittagsläuten hinter sich hatte. Und schlecht war mir außerdem. Ich musste erst mal zwei Minuten sitzen bleiben, ehe ich mich mühsam an meinem Sessel hochziehen konnte. Aber auch dann war ich noch sehr wacklig auf den Beinen, und alles schien zu schwanken, als stünde ich bei heftigem Wellengang auf einem Surfboard mitten im Ozean. Ich taumelte hinunter in die Küche und warf erst mal unsere nagelneue, vollautomatische Kaffeemaschine an, auf deren Espresso meine Mutter schwor, weil er angeblich sogar Tote aufweckte. Das kam bei mir ungefähr hin, und ich hoffte, meine Mutter hätte nicht übertrieben.
    Nachdem ich das heiße, schwarze Getränk mit viel Zucker auf ex hinuntergekippt hatte, ging es mir tatsächlich langsam besser. Fehlte eigentlich nur noch der berühmte Apfelkuchen meiner Mutter, von dem sie immer große Stücke abschnitt und ihn dann noch warm und mit einem riesigen Klecks Sahne servierte, so dass man nach drei Bissen den dringenden Wunsch verspürte, bei Weight Watchers Mitglied zu werden. »Es gibt kein Problem, das nicht durch etwas Süßes gemildert werden könnte«, war ihr Standardspruch. Nach meinen jüngsten Erlebnissen hätte ich sie gern eines Besseren belehrt. Hier half auch kein warmer Apfelkuchen mehr.
    Mit zunehmend klarer werdendem Kopf kam die Erinnerung an den vergangenen Abend und den Vorfall im Klostergarten zurück. Dorotheas verzweifelter Schrei hallte in meinen Ohren nach, und schlimme Schuldgefühle plagten mich. Immerhin war es meine Schuld, dass die Äbtissin so ausgeflippt war. Daniel hatte das Gelände bereits verlassen, und wäre ich nicht aufgetaucht und hätte Dorothea auch noch umarmt, hätte die Nonne sie alleine auf dem Friedhof angetroffen. Und dann wäre Dorothea wegen des versäumten Abendgebets höchstens zu ein paar Extra-Ave-Maria verdonnert worden, statt gleich rausgeschmissen zu werden. Voller Sorge fragte ich mich, wo sie jetzt wohl war. Bei dem Gedanken, Dorothea könnte Richter Förg in die Arme gelaufen sein, krampften sich meine Hände um die Espressotasse. Ich hatte Förg nur zweimal erlebt: Einmal

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