Heike Eva Schmidt
musste dich finden«, sagte ich. Seine grauen Augen waren immer noch auf mich gerichtet, aber er sah schon weniger sauer aus als vorhin. Wieder fiel mir auf, wie lang und dicht seine Wimpern waren und wie gut er überhaupt aussah. Eigentlich genau mein Typ. Diese Erkenntnis brachte mich so aus dem Konzept, dass ich anfing zu stottern: »Glücklicherweise bist du ja von allein aufgetaucht, ich meine … du bist mir erschienen … oder besser gesagt, ich dir …« Ich verstummte und lief knallrot an. Ich konnte nicht glauben, dass ich das gerade wirklich gesagt hatte.
Als ich aufblickte, sah ich ein spöttisches Lächeln um Jakobs Mund zucken. Offensichtlich war ich nicht die Einzige, die gemerkt hatte, wie durchgeknallt das klang. Mist!
»Erschienen … Ja, das ist ein trefflicher Ausdruck für deine Anwesenheit«, sagte Jakob, und sein Grinsen wurde breiter. Ich schluckte und konnte den Blick kaum von ihm abwenden. Wenn er lächelte, war er noch attraktiver. Seine Augen blitzten, und ich entdeckte ein Grübchen in seiner Wange. Prompt fing mein Herz an, seine Schlagzahl deutlich zu erhöhen. Doch da wurde er auch schon wieder ernst.
»Was bedeutet das, meine Schwester ist in Gefahr? Dorothea ist doch ins Kloster gegangen! Damit Förg keine Macht mehr über sie hat …«
»Ins Kloster? Dorothea ist jetzt eine Nonne?«, rief ich fassungslos.
»Sie befindet sich im Postulat, der Vorbereitung auf die Profess. So wie ich auch noch ein Anwärter bei den heiligen Brüdern bin«, korrigierte Jakob.
Die Begriffe purzelten in meinem Hirn durcheinander wie Äpfel, die der Wind vom Baum schüttelte.
»Aber … aber … das tut sie doch nicht freiwillig, oder?«, sagte ich lahm. Er zuckte nur die Schultern und mied meinen Blick. Ich starrte Jakob aufgebracht an. »War das etwa deine Idee?«, fragte ich streng.
Jakob seufzte und schüttelte nachsichtig den Kopf, als wäre ich ein ungezogener Dackel, der allen Ermahnungen zum Trotz mal wieder die Hausschuhe seines Herrchens zerkaut hatte.
»Das Salesianerinnen-Kloster war der einzige Weg, sie zu schützen. Der Richter hätte ihr weiterhin nachgestellt und sie bedroht. So lange, bis sie eingewilligt hätte, sein Weib zu werden«, erklärte Jakob geduldig.
»Dieser verdammte Dreckskerl«, rutschte es mir raus. Im selben Moment sah ich Jakobs strafende Miene.
»Verzeihung«, sagte ich zerknirscht. Vor einem Mönch zu fluchen war wahrscheinlich schon im 17. Jahrhundert eine Todsünde. Aber ich machte mir einfach Sorgen um Dorothea. Das sagte ich ihm auch.
»Ihr seid sehr freundlich, Conrad«, sagte Jakob und wechselte auf einmal wieder in die förmliche Anrede. »Aber meine Schwester ist in Sicherheit. Der Orden der Salesianerinnen gewährt ihr Schutz vor Anfechtungen jeglicher Art. Habt Ihr mich verstanden?«
Um ehrlich zu sein, dauerte es eine Weile, bis bei mir der Groschen fiel. Dann aber verdrehte ich die Augen und sagte beschwichtigend: »Immer mit der Ruhe, Jakob. Ich will nichts von deiner Schwester. Was ich damit sagen will«, fuhr ich hastig fort, als ich seinen verwirrten Gesichtsausdruck bemerkte, »Dorothea hat mir damals geholfen, als ich verletzt war. Nun wollte ich eben ihr helfen. Immerhin habe ich Richter Förg erlebt, als er damals vor der Tür stand!«
Er musterte mich eine Sekunde lang prüfend, ehe er nickte.
»Dorothea wird nichts geschehen«, wiederholte er und verschränkte die Arme vor der Brust. Eine deutliche Geste, die mir sagte, dass die Audienz bei Bruder Jakob hiermit beendet war.
Mir blieb nichts anderes übrig, als mich damit zufriedenzugeben. Ich verabschiedete mich höflich und schlich zurück zu dem Loch in der Hecke. Ich hätte schwören können, dass sein kritischer Blick mir folgte, bis ich zwischen den stacheligen Thujazweigen verschwunden war.
Wegen Jakobs Beschützergehabe hatte ich mich nicht getraut, ihn zu fragen, wo denn diese Salesianerinnen lebten. Zum Glück war das nicht schwer rauszubekommen. Schon der zweite Bamberger, den ich fragte, konnte mir den Weg beschreiben. Das Nonnenkloster thronte wie eine undurchdringliche Burg an der Regnitz, dem Fluss, der die ganze Stadt durchzog. Allerdings befand es sich ein gutes Stück abseits vom Stadtkern. Der Glockenturm der Kapelle ragte in den Himmel. Schräg daneben stand ein langgezogenes Sandsteingebäude, dessen schmale Fenster wie dunkle, zusammengekniffene Augen wirkten, die das Gebiet rund um das Kloster bewachten. Die Mauer, die sich um das Gelände zog, war nicht
Weitere Kostenlose Bücher