Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heike Eva Schmidt

Heike Eva Schmidt

Titel: Heike Eva Schmidt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Purpurmond
Vom Netzwerk:
fasziniert hatte. Dass mein Besuch 1630 stattgefunden hatte und dort ein enorm gutaussehender Mönch lebte, verschwieg ich wohlweislich.
    »Herzchen, das freut mich aber, dass es dir in Bamberg endlich gefällt«, sagte meine Mutter, und vor lauter schlechtem Gewissen bekam ich nun erst recht Schnappatmung.
    »Und – wie geht’s euch so?«, lenkte ich ab und rang mühsam nach Luft.
    Zum Glück merkte sie nicht, dass ich klang wie ein asthmatischer Karpfen auf dem Trockenen.
    »Stell dir vor, wir haben ein kleines irisches Dorf gefunden, in dem wahrscheinlich meine Ahnen gelebt haben! Dort gibt es nämlich ein Wappen, das aussieht wie dieses Bild, das mein Großvater zu Hause im Wohnzimmer hängen hatte. Ich bin also der Vergangenheit auf der Spur – ist das nicht aufregend?«, zwitscherte meine Mutter.
    »Mmmh«, machte ich und dachte, dass mir meine eigene Aufregung mit der Vergangenheit vollkommen reichte.
    »Wir landen da also in diesem kleinen Pub, dem ›Four Roses‹, und kommen mit Paddy, dem Wirt, ins Gespräch. Ich sag’ ihm, dass ich irische Wurzeln habe, und er …«
    Die Sätze meiner Mutter zogen an mir vorbei wie Wolken am Frühlingshimmel, während meine Gedanken unaufhörlich um Dorothea kreisten. Und um Jakob.
    Ich riss mich zusammen und versuchte, mich auf die Stimme zu konzentrieren, die aus dem Telefonhörer kam. Meine Mutter hatte eine Art Radar, den sie wahrscheinlich nach meiner Geburt zusammen mit dem Mutterpass ausgehändigt bekommen hatte und der sich zuverlässig meldete, wenn ich Probleme hatte. Heute aber wollte ich nicht, dass sie sich Sorgen machte oder gar unbequeme Fragen stellte.
    »… Jedenfalls ist Paddy überzeugt, dass wir um 20 Ecken verwandt sind. Und jetzt will er unbedingt einen Stammbaum mit seinen Vorfahren erstellen. Ich hab’ ihm versprochen, ihm die Datei deines Vaters als Vorlage zu geben, damit er sieht, wie so was geht.«
    Ich grunzte etwas Undefinierbares, um ihr wenigstens ansatzweise das Gefühl zu geben, dass mich ihre Geschichte interessierte.
    »Pass auf, ich gebe dir Paddys E-Mail-Adresse. Du musst nur an den Computer oben gehen und … warte mal«, sie schien kurz mit meinem Vater zu reden, denn ich hörte seine dunkle Stimme im Hintergrund, ehe sie wieder an die Sprechmuschel kam. »Auf dem Desktop ist ein Ordner mit dem Namen ›Ahnenforschung‹. Wenn du da reinklickst, findest du die PS-Datei ›Stammbaum Mahr‹ …«
    Ich unterbrach sie: »PS – was soll das denn für ’ne Datei sein?«
    Statt einer Antwort bestand meine Mutter darauf, dass ich einfach nachsah und das Dokument gleich an »Paddy« rausmailte.
    Ich rollte mit den Augen und dachte, dass ich wirklich andere Probleme hatte, als väterliche Ahnentafeln an irgendwelche irischen Gastwirte zu verschicken. Aber natürlich ließ ich mir seine Mailadresse geben und versprach, ihm noch heute den Familienstammbaum durchs Netz zu beamen.
    Nachdem sie mir viele Küsse durchs Telefon geschickt und dann aufgelegt hatte, schleppte ich mich kurzatmig ins Arbeitszimmer meines Vaters. Besser, ich erledige die Sache sofort, ehe mich mein Würgehalsband außer Gefecht setzt, dachte ich düster. Also ließ ich den Computer hochbooten und begab mich auf die Suche nach dem Ordner »Ahnenforschung«.
    Als mein Vater vor vier Jahren begonnen hatte, sich mit dem Stammbaum seiner Familie zu beschäftigen, hatte ich es nicht glauben können: Wie konnte man freiwillig stundenlang über Ahnentafeln brüten und in irgendwelchen Kirchenbüchern stöbern? Seine Akribie, mit der er die Stammtafel angelegt hatte, hatte bei mir einen Gähnkrampf ausgelöst. »Spießerhobby – schlimmer als ’n Schrebergarten«, hatte ich damals gesagt.
    Und nun war ich selbst dabei, mich durch das komplizierte Ordnersystem auf dem Desktop zu klicken. Wenigstens wusste ich jetzt, von wem ich den Hang zum Chaos geerbt hatte. Nach einigem Stöbern fand ich das Dokument – allerdings kein »PS«, wie meine Mutter gesagt hatte, sondern natürlich ein PDF. Mam hatte von Computern so viel Ahnung wie Paris Hilton von Astrophysik.
    Nachdem ich das Attachment brav an den irischen Pub-Besitzer gemailt hatte, packte mich die Neugierde. Mit einem Doppelklick öffnete ich die Datei. Auf dem Bildschirm erschien eine Grafik, auf der die Namen meiner Großeltern, Urgroßeltern und deren Eltern wie die Äste eines Baumes aufsteigend angeordnet waren. Daneben standen ihre Geschwister plus die dazugehörigen Ehefrauen oder -männer. Es war gar nicht so

Weitere Kostenlose Bücher