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Heike Eva Schmidt

Heike Eva Schmidt

Titel: Heike Eva Schmidt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Purpurmond
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offenbaren und sie entsetzt aufschreien zu lassen. Nicht nur Gretes spärliche Möbel waren umgeworfen und über die ganze Stube verteilt worden, auch zwei Tonkrüge und die wenigen Teller, die die Alte besessen hatte, lagen in Stücke geschlagen auf dem Fußboden.
    Fassungslos über die Zerstörung, erwartete Dorothea fast, dass auch Grete ein Opfer der Gewalt geworden war, die hier gewütet hatte. Aber nachdem sie mit dem schwachen Licht des Spans in jede Ecke und auch in die dunkelsten Winkel des kleinen Raumes geleuchtet hatte, stellte sie fest, dass die alte Nachbarin verschwunden war – geflohen, wie Dorothea hoffte. Eben hatte sie die Flamme ausgeblasen und das glimmende Ende des Hölzchens sorgfältig ausgetreten, als sie durch das Fenster drei rotglühende Punkte erspähte. Sie näherten sich Gretes Behausung wie die Pupillen eines dreiäugigen Höllenhundes. Dorothea sah sich hastig um. Hinaus konnte sie nicht. Was immer dort draußen sein mochte, sie wäre ihm direkt in die Arme gelaufen. Gerade noch rechtzeitig fiel ihr der Vorratsschacht der alten Frau ein. Blind tastete sie in der Schwärze nach den losen Bodendielen. Zwei ihrer Fingernägel brachen ab, als sie verzweifelt an einem Brett riss, das fest verankert war, ehe sie die richtigen Bohlen fand. Hastig verkroch sie sich in dem niedrigen Aushub und hatte kaum die Dielen über sich zurechtgeschoben, als sie das Geräusch hörte, mit dem die Tür über den unebenen Boden schleifte. Durch die Ritzen sah Dorothea einen orangeblauen Feuerschein durch die Stube irrlichtern und roch das Pech von brennenden Fackeln. Der Boden über ihr erzitterte von den Tritten schwerer Stiefel. Voller Angst, die Eindringlinge könnten durch die Schwingungen der Holzdielen auf ihr Versteck aufmerksam werden, kauerte Dorothea sich ganz klein zusammen. Sie verbarg das Gesicht in den Händen, wie ein Kind, das Verstecken spielt und glaubt, wenn es selbst nichts sieht, könne es auch von anderen nicht gesehen werden. Nur, dass dies kein Spiel war, sondern Ernst. Tödlicher Ernst.
    Eine tiefe Männerstimme erklang. »Schwören hätt ich können, dass ich bei der alten Hexe ein Licht gesehen hab.«
    Von der anderen Seite kam ein raues Lachen, das wie das Bellen eines wilden Hundes klang, und ein zweiter Mann erwiderte: »Vielleicht war’s der Teufel, der zu Besuch gekommen ist! Was Wunder bei dem Hexenzeug, das die Alte hier gehortet hat!«
    Der Erste lachte ebenfalls, ehe er antwortete: »Dafür hockt sie jetzt im Malefizhaus. Sagt kein Wort, denn dort kann ihr auch der Deibel nicht mehr raushelfen!«
    »Und alles nur, weil sie dem Richter nicht hat sagen wollen, wohin ihre Nachbarin verschwunden ist … Das junge Ding, hinter dem Förg seit Wochen herjagt, wie der Hund nach dem Fuchs«, schaltete sich der Dritte ein.
    Unten in ihrem Versteck drehte sich Dorothea der Magen um. Und das lag nicht an dem Geruch der vergorenen Milch, die in einem Krug zu ihren Füßen stand, und das offenbar schon seit mehreren Tagen. Man hatte Grete verschleppt und in das gefürchtete Hexengefängnis zu Bamberg verbracht. Und das alles nur wegen ihr! Offensichtlich war ihre Nachbarin diesmal von ihrer Gabe im Stich gelassen worden. »Die Ahnungen kommen, wann sie wollen …«, hörte sie die alte Frau im Geiste sagen.
    Heiße Tränen flossen über Dorotheas Gesicht, aber sie gab keinen Laut von sich. Auch als sich die schweren Tritte der Männer entfernten und die Tür quietschend ins Schloss gefallen war, blieb sie noch fast eine Stunde in ihrem Versteck sitzen, unfähig, sich zu rühren.
    Erst als ihre Beine zu brennen anfingen, als ob sie Hunderte von Ameisen mit ihrem Gift malträtierten, schob Dorothea mühsam die Dielenbretter beiseite und kletterte aus ihrem Versteck. In einer Ecke hinter Gretes Feuerstelle hatte sie vorhin einen halben Laib hartes Brot entdeckt. Sie griff hastig danach, ehe sie wie ein gehetztes Tier in die Wälder floh. Nach Hause wagte sie sich nicht, und so verbrachte sie den Rest der Nacht an einen Baumstamm gelehnt – auf dem weichen Moosteppich, wo Daniel und sie sich im vergangenen Sommer immer geliebt hatten. Doch jetzt erschien ihr der Ort kalt und feindselig, und sie tat kein Auge zu, bis der erste rosagoldene Strahl der Morgenröte am Himmel auftauchte. Mit steifen Gliedern und schmerzendem Rücken rappelte sich Dorothea auf und setzte sich in Bewegung. Sie ging in die entgegengesetzte Richtung von ihrem Haus, wobei sie darauf achtete, nie aus dem Schutz des

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