Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heike Eva Schmidt

Heike Eva Schmidt

Titel: Heike Eva Schmidt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Purpurmond
Vom Netzwerk:
wohl, dass er sich ein Lächeln verbiss. Ich stieg mit dem linken Fuß in seine gewölbten Hände und stieß mich mit dem Rechten kraftvoll ab. Gleichzeitig gab Jakob mir von unten Schwung. Zu viel Schwung, denn ich flog wie eine abgeschossene Friedenstaube durchs offene Fenster. Mit einem lautstarken »Shit!« landete ich unsanft im Wohnzimmer derer zu Förg. Als ich aufsah – die Kapuze war mir noch tiefer ins Gesicht gerutscht –, erblickte ich zwei Stiefel aus weichem Leder und mit kniehohen Stulpen.
    »Guten Abend, Daniel«, sagte ich bemüht ruhig, während ich so würdevoll wie möglich auf die Füße zu kommen versuchte.
    Er brachte kein Wort raus, sondern starrte mich an wie eine Erscheinung. Kein Wunder, schließlich fiel nicht jeden Abend ein Kamikaze-Mönch durchs Fenster.
    »Hör zu, ich komme wegen Dorothea«, sagte ich hastig, ehe Daniel zu einem Degen greifen konnte, oder was man im 17. Jahrhundert eben so an der Zimmerwand hängen hatte. »Ihr Bruder ist auch da, würdest du ihm bitte die Tür öffnen? Ich möchte es ihm ersparen, auf dem gleichen Weg hier hereinkommen zu müssen wie meine Wenigkeit«, fügte ich höflich hinzu.
    Wie eine Marionette ging Daniel mit steifen Schritten aus dem Zimmer. Was, wenn er jetzt doch das Schwert holte? Oder um Hilfe rief? Ich versuchte die Bauchatmung, die ich mal bei einem Yogawochenende gelernt hatte. Der Gürtel meiner Mönchskutte begann zu spannen, doch mein Herzschlag beruhigte sich nicht.
    Mein Blick wurde von einem großen Ofen angezogen, der in einer Ecke stand. Jede seiner jadegrünen Kacheln war mit einem kunstvollen Motiv verziert. Ein riesiger Schrank, dessen Holz fast schwarz schimmerte, nahm beinahe die gesamte Stirnseite des Zimmers ein. War das alles Förgs Eigentum, oder hatte er sich die Sachen aus den Hausständen der als »Druden« verbrannten wohlhabenden Bürger Bambergs angeeignet? Ich konnte nicht weiter darüber nachdenken, denn in diesem Moment kam Daniel zurück. Zu meiner Erleichterung folgte ihm Jakob.
    Gemeinsam versuchten wir, den tief gekränkten Richtersohn davon zu überzeugen, dass Dorothea ihm immer treu gewesen war und sein Vater ihn vorsätzlich belog. Und das war gar nicht so einfach. Erst mal wurde Daniel wütend, weil ich ihn und Dorothea auf dem Klosterfriedhof belauscht hatte.
    »Du hast ihren Kummer benutzt, um dich bei ihr einzuschmeicheln«, warf er mir doch tatsächlich vor.
    Über so viel Ignoranz konnte ich nur den Kopf schütteln.
    »Also, entschuldige mal, wer hat denn vorher schäbig mit ihr Schluss gemacht? Das warst ja wohl du«, gab ich beherzt Kontra.
    Daniel verschlug es die Sprache.
    »Conrad ist nur ein guter Freund meiner Schwester«, ergriff Jakob, ganz untypisch, für mich Partei.
    Doch so schnell ließ Daniel sich nicht überzeugen. »Und warum schwört die Klostervorsteherin dann, sie hätte euch aus einer innigen Umarmung gerissen, und du seist Dorotheas Geliebter?«, bohrte er hartnäckig nach.
    »Moment. Das behauptet dein Vater, und der ist – mit Verlaub – ein Arschloch«, rutschte es mir heraus.
    Neben mir hörte ich Jakob scharf Luft holen. Ohne ihn anzusehen, hob ich die Hände. »Schon gut, schon gut, er ist ein Schurke! «
    Es ist wirklich kein Vergnügen, diese Sache mit so einer moralischen Instanz auf zwei Beinen durchzuziehen, dachte ich genervt.
    »Die Oberin hat genau gesehen, dass ich kein, äh …« Ich stockte, weil ich meine Identität nicht verraten wollte. Stotternd fuhr ich fort: »Also … dass ich nichts von Dorothea wollte.«
    »Hast du sie nun umarmt, ja oder nein?«, fragte Daniel streng.
    »Ja, schon …«, fing ich an, als er mich unterbrach: »Also doch! Schäme dich! Und so etwas als Mönch!«
    »In Wirklichkeit ist er gar kein Mönch«, verriet Jakob.
    »Aber ein Mann und ein Lügner dazu!«, rief Daniel aufgebracht.
    »Haltet die Klappe – alle beide!«, brüllte ich entnervt. Ich hatte wirklich die Nase voll davon, dass sie über meine Kapuze hinwegredeten, als sei ich unsichtbar. Beide verstummten verblüfft. Aber ich wusste, herumschreien würde nichts nützen. Daniel würde mir nicht glauben. Nicht, solange er dachte, ich sei ein Junge.
    Unter den irritierten Blicken der beiden streifte ich mir deshalb die Kapuze ab und schüttelte meine halblangen, roten Haare. Ich hörte Jakob nach Luft japsen, doch ich ließ mich nicht beirren und schlüpfte aus der Mönchskutte. Zwar trug ich darunter immer noch Männerkleidung, aber ein kurzes Ziehen am unteren Saum

Weitere Kostenlose Bücher