Heike Eva Schmidt
haben sie den Befehl, Dorothea laufenzulassen, quasi mit Brief und Siegel! Jakob, das ist genial!« Ich strahlte ihn begeistert an.
Für eine Nanosekunde fiel seine unnahbare Maske von ihm ab, und er lächelte zurück. Mein Puls stieg auf 180. Zum Glück schaltete sich Daniel ein, ehe ich wegen meines engen Halsreifs und meiner verwirrten Jakob-Gefühle kollabieren konnte.
»Wirklich, das ist famos! Cat überbringt den Brief, nimmt Dorothea mit, und dann verbergen wir sie vor den Häschern, bis das Mandat ankommt. Mein Vater wird es nicht konfiszieren, dafür werde ich sorgen!«
»Und was, wenn Förg nüchtern hierher zurückkehrt?«, fragte ich besorgt. »Er ist doch nicht jedes Mal hacke… ich meine, betrunken, wenn er im Wirtshaus war, oder?«
Daniel nickte. »Du hast recht, Cat. Es kommt zwar sehr häufig vor, aber wir können nicht sicher sein.«
Jakob nickte mir anerkennend zu, und in meinem dummen Herzen keimte sofort wieder Hoffnung auf. Ob ich mir seinen Respekt doch noch verdienen würde? Energisch rief ich mich zur Ordnung und sagte an Daniel gewandt: »Kannst du ihm nicht noch einen Wein anbieten, der mit irgendeinem Schlafmittel versetzt ist?« Gleich darauf fiel mir ein, dass es im 17. Jahrhundert ja noch keine Apotheke gab, in der man mal eben ein paar Schlaftabletten kaufen konnte. Scheißfrühbarock, dachte ich wütend, wieso war damals nur alles so kompliziert? Gereizt überlegte ich, dass ich Förg sowieso am liebsten mit einem großen Holzhammer ins Land der Träume geschickt hätte, doch das hätte für alle Beteiligten unangenehme Folgen gehabt.
»Mohnmilch und Bilsenkraut«, hörte ich Jakob auf einmal leise neben mir sagen.
Verblüfft wandte ich den Kopf.
»Dies sind die Zutaten für einen Schlaftrunk, der je nach Stärke einige Stunden oder einen vollen Tag wirkt«, erklärte er. Logisch, er war ja in einem Heilerinnen-Haushalt groß geworden und kannte wahrscheinlich alle möglichen Kräutermittel.
»Und woher nehmen wir das Zeug?«, fragte ich.
»Das Kloster verfügt über einen Kräutergarten«, sagte Jakob langsam.
Ich knuffte ihn in die Seite und kicherte: »Der Mönch will klauen gehen, ich glaub’s ja nicht!«
»Es ist ein Plan, aus der Not geboren, und der Herr wird es mir vergeben«, antwortete Jakob steif.
Ich verdrehte die Augen, aber weil ich gerade wieder in die Mönchskutte schlüpfte, sah Jakob es zum Glück nicht. Er war wahrscheinlich sowieso gerade damit beschäftigt, zwei Rosenkränze als vorsorgliche Buße zu beten. Streber!
Als wir schweigend durch die dunklen Gassen zum Kloster hasteten, würdigte er mich keines Blickes. Gereizt dachte ich, dass ich am besten bei Daniel hätte bleiben sollen, der wäre wohl der spritzigere Gesprächspartner gewesen. Nach zehn weiteren verbissenen Minuten des Nebeneinanderherlaufens platzte mir der Kragen.
»Was hast du eigentlich für ein Problem mit mir, Jakob?«, fragte ich kurzatmig, während ich versuchte, mit ihm Schritt zu halten.
Er sah mich immer noch nicht an, rang sich aber immerhin zu der erhellenden Antwort durch: »Du irrst.«
»Ach, komm schon, seit du weißt, wer – oder besser gesagt, was – ich bin, behandelst du mich wie eine faule Rübe«, schnaufte ich aufgebracht. Der enge Halsreif machte das schnelle Laufen nicht eben angenehmer.
Seine Schritte wurden noch länger, und er zog das Tempo weiter an, doch ich war nicht bereit aufzugeben. Nicht, bevor ich eine Antwort hatte. Keuchend blieb ich an seiner Seite. Fehlten nur noch zwei Stöcke, und wir hätten bei der Meisterschaft im Nordic Walking antreten können, so wie wir hier im Stechschritt durch Bamberg flitzten.
Weil er merkte, dass ich ihm stur auf den Fersen blieb, blieb Jakob schließlich seufzend stehen. »Caitlin«, sagte er förmlich, »du bist eine Frau. Ich bin ein Mönch. Vor Gottes Angesicht dürfte ich eigentlich nicht einmal ein Wort mit dir wechseln!«
»He, es ist doch völlig egal, ob ich ein Mädchen bin! Immerhin müssen wir Dorothea aus dem Hexenkerker holen! Gut, du hast ein Gelübde abgelegt, aber der liebe Gott wird doch wohl mal ein Auge zudrücken, wenn es das Leben deiner Schwester rettet, oder?«
Jakob schluckte, dann nickte er zögerlich. »Ja, vielleicht …«, stimmte er mir nachdenklich zu.
»Außerdem ist es finstere Nacht. Vielleicht schläft Gott ja auch mal«, sagte ich trocken.
»Du bist wirklich ein schreckliches Weibsbild«, empörte sich Jakob, aber ich sah genau, wie sich seine Mundwinkel
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