Heike Eva Schmidt
Daniel«, schaltete ich mich jetzt ein. »Gewalt hilft uns nicht weiter. Wenn du deinen Vater umbringst, hast du Dorothea damit noch längst nicht geholfen. Eher wanderst du gleich selbst in den Knast … äh, Kerker«, versuchte ich zu vermitteln.
Daniel biss die Zähne zusammen und nickte. »Du hast recht …«, begann er, ehe er stockte und mich fragend ansah. »Ich kenne nicht einmal deinen Namen.«
»Ich heiße Caitlin, aber alle nennen mich Cat«, sagte ich, doch mein Blick ruhte nicht auf Daniel, sondern auf Jakob. Der presste die Lippen zusammen und sah über meinen Kopf hinweg an die Decke, wo sich offenbar etwas wahnsinnig Interessantes abspielte. Hatte er generell ein Problem mit Frauen, oder verhielt er sich nur wegen seines Gelübdes so komisch? Der Mönch, das ewige Rätsel, dachte ich. Demonstrativ wandte ich mich wieder an Daniel. »Hör zu, es gibt eine Möglichkeit, Dorothea zu retten …« Ich zögerte kurz, ehe ich weiterredete. »Ich weiß, das klingt jetzt etwas verrückt, aber ich schwöre, ich sage die Wahrheit: Es existiert eine Anordnung vom Reichshofrat in Wien, die befiehlt, die Hexenprozesse augenblicklich einzustellen. Dieses kaiserliche Mandat wird in Kürze hier in Bamberg eintreffen.«
Daniel riss den Kopf hoch und rief erfreut: »Aber … dann ist ja alles gut!«
»Nichts ist gut!«, rief ich entnervt. »Rate mal, was dein Vater tun wird, wenn er dieses Mandat erhält? Glaubst du tatsächlich, er wird dem Wahnsinn Einhalt gebieten? Wie naiv bist du eigentlich, Daniel? Er will Dorothea brennen sehen! Das ist seine ganz persönliche Rache, weil sie dich liebt und ihn abgewiesen hat!«
Ein dumpfes, wuterfülltes Knurren entrang sich Daniels Kehle. Vorsichtshalber bezog Jakob Posten an der Tür, falls der Richtersohn doch noch nach draußen rennen und seinen Vater mit der nächstbesten Waffe zur Strecke bringen wollte.
»Wir brauchen eine List, wie wir dieses kaiserliche Mandat abfangen können, ehe Förg es verschwinden lässt. Wir müssen damit an die Öffentlichkeit!«, beschwor ich die beiden Männer.
Daniel nickte. Er stellte keine Fragen, so beseelt war er von dem Gedanken, seine geliebte Dorothea zu retten.
Jakob hingegen musterte mich misstrauisch. »Wie hast du von diesem Mandat Kenntnis erlangen können – wenn es doch noch gar nicht aufgetaucht ist?«, nahm er mich in die Zange.
Er war nicht dumm, aber durch seine Klugscheißerei setzten wir Daniels Vertrauen aufs Spiel. Ich warf ihm einen böse blitzenden Blick zu. »Ich habe meine Quellen.«
Ich sah, dass er den Mund öffnete, um mir zu widersprechen. Doch ich unterbrach ihn und sagte scharf: »Das muss genügen, Jakob. Oder willst du deine Schwester auf dem Scheiterhaufen brennen sehen?«
Das wirkte. Jakob schüttelte stumm den Kopf.
»Gut, dann sollten wir uns nicht mit Haarspalterei aufhalten, sondern gemeinsam überlegen, was wir tun«, bestimmte ich.
Daniel und Jakob nickten wie zwei folgsame Schuljungen. Ich seufzte. Auch wenn ich hier den strategischen Feldwebel gab, schlotterten mir die Knie vor Angst, dass die ganze Sache schiefgehen würde und die Geschichtsbücher recht behalten sollten. Diese ganze Unternehmung war wie eine Geisterbahnfahrt ohne Ausstieg.
Fieberhaft überlegten wir, wie wir Förg ausschalten konnten. Plötzlich hob Jakob den Kopf: »Euer Vater ist doch in die Schenke gegangen. Wie viel pflegt er zu trinken, Daniel?«
»Das ist unterschiedlich. Es gab jedoch schon Abende, da fand er kaum den Weg ins Schlafgemach, so sehr hatte er dem Wein zugesprochen.«
»Wenn er sich so sehr betrinken würde, dass er tief und fest schläft, wäre das für uns von Vorteil«, erklärte Jakob.
»Das musst du uns schon genauer erklären«, sagte ich stirnrunzelnd.
Jakob legte nachdenklich den Zeigefinger an die Nase. »Nun, jede richterliche Verordnung trägt doch ein entsprechendes Siegel«, sagte er mit Blick auf Daniel, der bestätigend nickte. Jakob nickte auch und fuhr fort: »Angenommen, ein vermeintlicher Bote …«, dabei zeigte er auf mich, »brächte einen Brief ins Drudenhaus, mit der Anordnung, die Angeklagte Dorothea Flock unverzüglich freizulassen. Beglaubigt vom obersten Richter Bambergs …«
»Genau«, platzte ich dazwischen, weil ich Jakobs Plan durchschaut hatte. »Daniel klaut den Siegelring von seinem Vater. Dann setzen wir dieses Schreiben auf, fälschen Förgs Unterschrift, verschließen es mit Wachs und drücken das richterliche Siegelzeichen drauf. Und im Gefängnis
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