Heike Eva Schmidt
Zunge, dass Förgs Ableben auch kein allzu großes Unglück wäre, doch Jakob sagte, ohne aufzuschauen: »Nein, Caitlin. Versündige dich nicht!«
Verblüfft schnappte ich nach Luft. »Ich hab keinen Ton gesagt! Kannst du Gedanken lesen, oder was?«, entfuhr es mir.
Er blickte mich immer noch nicht an, als er mit einem leisen Lächeln erwiderte: »Es war nicht schwer, das zu erraten. Schließlich durfte ich bereits Bekanntschaft mit deinem Temperament machen …«
Mein Kopf fing schon wieder an zu glühen wie eine rote Ampel. Jakob starrte angestrengt in den Topf, als wolle er statt des Schlaftranks ein Drei-Sterne-Menü komponieren. »Wie kommt es eigentlich, dass du nicht verheiratet bist?«, fragte er, ohne mich anzusehen.
»Was?«, rief ich entgeistert. Wie kam er denn jetzt darauf? Als Klosterbruder würde er mir ja wohl kaum einen Antrag machen, also was sollte die blöde Frage? »Wieso sollte ich verheiratet sein? Hallo, ich bin 17!«, stellte ich klar.
»Eben darum«, meinte Jakob ungerührt, und mir fiel ein, wie Dorothea gesagt hatte, dass es im 17. Jahrhundert gang und gäbe war, die Mädchen schon mit 14 Jahren zum Altar zu führen – oder vielleicht auch zu zwingen. In sieben Monaten würde ich 18, falls ich den Fluch des Halsschmucks überlebte. Ohne Mann und Kinder war ich also quasi eine alte Jungfer. Dieser Gedanke war derart absurd, dass ich lachen musste. Ich konnte nichts dagegen tun, auch wenn Jakob etwas kariert guckte. Also versuchte ich, mich zu erklären, ohne zu verraten, woher ich kam und was zu meiner Zeit normal war und was nicht. Mit 17 heiraten gehörte definitiv nicht dazu. Knutschen dagegen schon, und wenn ich ganz ehrlich war, hätte ich mir das mit Jakob sehr gut vorstellen können.
»Weißt du, Jakob, ich bin nicht so erpicht darauf, jetzt schon zu heiraten und Kinder zu bekommen. Ich möchte lieber erst mal studieren …«
Ich stockte, als ich Jakobs ungläubigen Gesichtsausdruck sah. Mist, dachte ich. Bei der Anzahl an Fettnäpfchen, in die ich im 17. Jahrhundert schon hineingetreten war, kam ich langsam auf die Größe eines Kinderplanschbeckens. Natürlich war es um 1630 sicher völlig unmöglich, dass eine Frau über ein Studium nachdachte, das hatten wir ja gerade erst erörtert.
»Trägst du deshalb Männerkleidung und nennst dich Conrad? Weil dich das Studium der Schriften lockt?«, fragte Jakob.
»Hm, na ja, das ist ein bisschen schwierig zu erklären«, stammelte ich.
Jakob ließ mich nicht aus den Augen, und ich fühlte mich immer unbehaglicher.
»Außerdem bin ich nicht so eine Schönheit wie Dorothea«, platzte ich heraus. Als Jakob mich ungläubig ansah, fuhr ich hastig fort: »Nicht, dass ich mich hässlich finde, aber … Also, die Jungs stehen nicht gerade Schlange, wenn du verstehst, was ich meine. Dafür hab ich nicht genügend …« Im letzten Moment fiel mir ein, dass ich mit einem frühbarocken Mönch redete. Daher zeichnete ich nur stumm ein paar Kurven in die Luft und hoffte, er würde verstehen, Zölibat hin oder her.
Jakob wandte den Blick ab.
»Ich weiß nicht, warum du so hart mit dir ins Gericht gehst, Caitlin«, murmelte er.
»Du hast edle Gesichtszüge und bist von hohem, geradem Wuchs. Deine Haare sind nur ein wenig heller als der wilde Mohn, der am Rande der Felder wächst, und deine Augen erinnern mich an die Farbe von Moos, das im Wald wächst …«
Ich konnte ihn nur mit offenem Mund anstarren und seiner Beschreibung verzückt lauschen. So hatte noch kein Junge mit mir gesprochen. Ich war hingerissen.
Offenbar merkte auch Jakob, was er da gesagt hatte, denn er brach schlagartig ab, und ein Ausdruck von Verlegenheit huschte über sein Gesicht. »Verzeih, ich verliere mich allzu sehr in weltlichen Dingen. Allein die Frage, weshalb du noch nicht im Stand der Ehe bist, war vermessen«, sagte er und blickte auf einmal ziemlich verkniffen drein.
»Nein, du hast etwas Wunderschönes gesagt«, antwortete ich leise. Ich hätte noch stundenlang zuhören können, wie er mich so poetisch beschrieb, als sei ich bildhübsch und einzigartig. Ich war mehr denn je versucht, ihm die Wahrheit zu sagen. Wo ich herkam und dass 300 Jahre nach seiner Zeit die Mädchen genauso selbstverständlich die Unis stürmten wie die Jungs.
»Du bist sehr merkwürdig, Caitlin«, sagte Jakob und sah mich so durchdringend an, als wolle er mich durchleuchten.
Ich spürte ein verdächtiges Ziehen in meinem Magen.
»Aber du solltest jeglichen Gedanken an ein
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