Heike Eva Schmidt
das nächste Mal einen Befehl, so ist dieser unverzüglich auszuführen. Un-ver-züglich, hat er mich verstanden?«, keifte Förg.
Um ihn nicht weiter zu reizen, nickte ich nur und versuchte, dabei so demütig wie möglich zu gucken. Es schien zu wirken, denn Förg machte eine ungeduldige Handbewegung, als wolle er eine lästige Fliege verscheuchen. Erleichtert griff ich nach der Türklinke.
»Bursche!«, schrie der Richter plötzlich auf. »Ist er toll geworden? Was hat er mir da zu trinken gebracht?«
Erschrocken fuhr ich herum und sah, dass der Richter an der Flüssigkeit roch. Shit, schoss es mir panisch durch den Kopf, der hat gemerkt, dass wir ihn betäuben wollen!
Als Förg den Kopf hob, funkelten seine sonst so seelenlosen Augen vor Wut. »Dies ist kein Met. In dem Krug befindet sich etwas anderes!« Sein Gesicht verzog sich vor Widerwillen.
»Ähm, ja. Dies ist …«, fing ich an und überlegte krampfhaft, als was ich ihm den Trank verkaufen könnte. Hatte es um 1630 herum schon Rum gegeben? Unwahrscheinlich, denn das Zuckerrohr, aus dessen Saft er gebrannt wurde, kam ja aus Mittelamerika und der Karibik. Gin? Wodka? In diesem Augenblick fiel mir der Anisschnaps von Dorothea ein, den sie mir verabreicht hatte, um meine Beinverletzung zu versorgen. »Branntwein«, hatte sie gesagt. »Es ist Branntwein mit warmer, gewürzter Milch versetzt. Das … öh … fördert die Verdauung und beruhigt den Magen.«
Innerlich zitterte ich wie Wackelpudding bei einem Erdbeben. Würde Förg nun endlich Ruhe geben? Er musterte den Krug stirnrunzelnd.
»Soso, es beruhigt den Magen«, lallte er nachdenklich. Ich nickte nachdrücklich. Ein paar kurze, hoffnungsvolle Sekunden sah es so aus, als würde er sich damit zufriedengeben. Doch dann sprang er unvermittelt auf und schrie: »Hatte ich nicht nach Met verlangt, Dummkopf? Was schleppt er mir dann solch ein Gesöff an?«
Sein Gesicht war vor Zorn rot angelaufen, und kleine Speicheltröpfchen sprühten ihm von den Lippen. In seiner betrunkenen Angriffslust war er einfach nur ekelhaft. Aber gefährlich. Fieberhaft überlegte ich, wie ich ihn beruhigen konnte. Ehe ich noch zu einem Ergebnis kam, nahm Förg den Krug und schmetterte ihn auf den Boden, wie ein trotziges Kind ein falsch gekauftes Spielzeug. Das tönerne Gefäß zerbrach, und die Flüssigkeit vermischte sich mit den Scherben zu einer milchigen Pfütze.
»Nein!«, schrie ich auf und machte unwillkürlich einen Schritt auf Förg zu, als könne ich damit alles rückgängig machen und etwas von dem Schlaftrank retten. Natürlich vergeblich. Nun war alles umsonst gewesen. Wie sollten wir Dorothea jetzt noch aus dem Drudenverlies bekommen? Eine grellrote Welle des Hasses durchströmte mich, und ohne nachzudenken, schrie ich den Richter an: »Idiot!«
Förg holte in rasender Wut zum Schlag aus, doch blau wie er war, kam er ins Taumeln, und ich konnte mich wegducken. Obwohl ich hastig zur Tür rannte, gelang es Förg mit überraschender Schnelligkeit, mich am Kragen meiner kurzen Dienstbotenjacke zu packen. Brutal riss er mich zurück. Ich schlug nach seinem Arm, und als Antwort schleuderte er mich durch das halbe Zimmer. Ich prallte rücklings so heftig gegen die Wand, dass mir schwarz vor Augen wurde. Als ich mir an den schmerzenden Kopf fasste, spürte ich nur Haare. Ich erschrak und blickte mich um. Meine Kappe lag vor meinen Füßen, sie musste mir vom Kopf geflogen sein. Förg starrte mich fassungslos an. Drei endlose Sekunden standen wir wie festgefroren voreinander.
Dann flüsterte er: »Nun erkenne ich dich. Du warst bei der jungen Flockin im Haus … und du bist die rothaarige Teufelsbrut, welche die Äbtissin im Kloster sah!«
Ich suchte nach einer Ausflucht, irgendetwas, das ich tun oder sagen konnte, als er behende einen kurzen Dolch aus seinem Gürtel zog. Sein Gesicht verzerrte sich zu einem hässlichen Grinsen. Ehe er die Tür absperrte, trieb er mich in eine Zimmerecke, wo ich mich hinsetzen musste. Dann riss der Richter das Fenster auf und schrie in die dunkle Gasse hinunter: »Zu Hülfe, Ihr Leut’! Räuber, Diebe, Mörder!«
Keine Minute später waren bereits hastige Schritte zu hören. Förg ließ mich nicht aus den Augen, sein Daumen fuhr drohend über die Messerspitze. Ich hätte sowieso keine Kraft mehr gehabt, mich zu wehren. Schon hörte man Fäuste gegen das Tor hämmern und tiefe Männerstimmen Einlass fordern. Und da wurde mir klar, warum Förg mich nicht eigenhändig und mit dem
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