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Heike Eva Schmidt

Heike Eva Schmidt

Titel: Heike Eva Schmidt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Purpurmond
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von REM, »Losing My Religion«, in diesem Augenblick verdammt gut als Untermalung gepasst hätte.
    Daniel kam in die Küche gestürmt und flüsterte atemlos: »Mein Vater kehrt zurück. Rasch, verbergt euch!«
    Jakob konnte gerade noch nach dem Fläschchen mit dem Schlaftrank greifen, als uns Daniel schon wie zwei entlaufene Hühner zu einem hohen Wandschrank im Flur scheuchte und die Tür öffnete. Ein muffiger Geruch schlug mir entgegen.
    »Nee, also echt nicht …«, versuchte ich zu protestieren, doch Daniel beförderte mich mit einem energischen Schubs zwischen irgendwelche Samt-und Taftroben. Ich sah gerade noch, wie Jakob sich neben mich drückte, dann schloss sich die Tür, und dumpfe Schwärze umfing uns.
    Schade, dass ich nur mein Seh-, nicht aber mein Geruchsvermögen eingebüßt habe, dachte ich angewidert. Der Gestank nach Schweiß und muffigen Kleidern war schier unerträglich. Ein Würgereiz drohte mich zu schütteln, doch im gleichen Moment hörte ich eine Türe schlagen, und eine wohlbekannte Stimme ertönte: »Was schleichst du hier noch so herum?« Auch wenn Förgs Sprache vom Alkohol etwas verwaschen klang, war seine Streitlust deutlich herauszuhören.
    »Ich blieb wach, um sicherzugehen, dass Ihr wohlbehalten nach Hause kommt, Herr Vater«, erwiderte Daniel ruhig.
    Das schien Förg etwas zu besänftigen. Er klang nicht mehr ganz so zornig, als er sagte: »Befiehl er dem Diener, mir einen Krug Met in mein Gemach zu bringen.«
    Besser hätte es für unseren Plan nicht laufen können, dennoch klapperten mir beim Klang von Förgs kalter Stimme die Zähne. In diesem Augenblick spürte ich, dass Jakob meine Hand ergriff und beruhigend drückte. Ein Teil der Angst fiel von mir ab, und ich erwiderte seinen Händedruck zaghaft. So standen wir wie Hänsel und Gretel im dunklen Wald, bis Daniel endlich die Schranktür öffnete und uns aus unserer muffigen Gruft befreite.
    Flüsternd hielten wir Kriegsrat. Das Ergebnis gefiel mir allerdings überhaupt nicht. Ich wurde nämlich dazu auserkoren, Förg den Schlaftrank zu bringen. Ich wehrte mich mit Händen und Füßen, doch mir blieb keine Wahl: Wenn Daniel seinem Vater den Trank brachte, würde dieser sofort fragen, wieso statt eines Dieners sein Sohn in das Gemach kam. Jakob konnte sich nicht als Dienstbote ausgeben, denn Förg würde ihn mit hoher Wahrscheinlichkeit wiedererkennen. Schließlich war er damals extra bei Jakob im Kloster vorstellig geworden, um Dorothea zu freien.
    Also musste ich ran. Zwar waren Förg und ich in Dorotheas Häuschen aneinandergeraten, aber ich hoffte, dass der Richter mein Gesicht in der Dunkelheit nicht genau hatte ausmachen können. Und wenn doch, würde er sich heute Abend mit ein paar Promille im Blut hoffentlich nicht mehr an diese Begegnung erinnern können.
    Mit schlotternden Beinen, den Tonkrug fest umklammernd, stand ich wenig später vor der Tür zu Förgs Gemächern. Daniel hatte mir in die alte Jacke eines der Diener geholfen, den der Richter hinausgeworfen hatte. Sie war mir etwas zu klein, aber immerhin verbarg die Kappe, die ich mir tief in die Stirn gezogen hatte, meine verräterisch roten Haare. Ich holte noch mal tief Luft, dann klopfte ich an.
    »Trete er ein«, schnarrte es von drinnen, und ich tat wie mir geheißen.
    »Euer Met, Herr«, sagte ich leise und versuchte, meine Stimme ein paar Etagen tiefer rutschen zu lassen.
    »Zeit ist’s geworden! Habt ihr Faulpelze von Dienern etwa schon geschlafen?«, lallte Förg angriffslustig.
    Ich schüttelte nur stumm den Kopf und reichte ihm mit einer Verbeugung den Krug. Achtlos nahm ihn der Richter entgegen. Seine kalten Raubvogelaugen schienen mich zu durchbohren.
    »Ich kenne ihn nicht, Bursche!«, sagte er auf einmal.
    Ich zuckte zusammen, versuchte aber, mir nichts anmerken zu lassen. Die Gedanken rasten durch meinen Kopf wie außer Kontrolle geratene Spielzeugautos über eine Carrerabahn.
    »Ich bin der neue Dienstbote. Heut ist mein erster Tag«, murmelte ich und hoffte, Förg würde mich nun gehen lassen und endlich diesen verflixten Krug leertrinken.
    Ich wandte mich um und versuchte, mich durch den Türspalt zu verdrücken, als mich die Stimme des Richters wie ein Peitschenhieb im Rücken traf: »Hiergeblieben, du Strolch!«
    Eine Sekunde überlegte ich, einfach Fersengeld zu geben, aber dann wäre Förg mir sicher nachgelaufen und hätte einen Riesenaufstand gemacht. Das Risiko, dass der Plan schiefging, war zu hoch, also blieb ich stehen.
    »Gebe ich

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