Heile Welt
Zeit hatte. Das Hervorholen des Proviants wurde untersagt. Salzstangen essen meinetwegen und Mars, aber nicht die Butterbrote!«Die essen wir dann bei Hagenbeck! Da könnt ihr euch dann auch was kaufen. Da habt ihr Zeit genug.»
«Dauert das noch lange?»
Die Sonne schien, und die Kinder wurden etwas ruhiger, mit dem Rücken zur Elbe spielten sie: Ich seh’ ich seh’, was du nicht siehst…
Die beiden Kollegen hatten es sich auf einer Bank bequem gemacht. Matthias verspürte die wohlige Wirkung der Gelonidas, und Frohriep erklärte ihm, wie die Schiffe heißen, die hier vorübergleiten.
«Oh, jetzt kommt aber ein großer Pott.»Kam der nicht sogar aus der Sowjetunion? Kein Zweifel: Hammer und Sichel waren deutlich erkennbar. Daß das erlaubt war? Matrosen an der Reeling. Daß die nicht einfach über Bord sprangen? Ein neues Leben beginnen? In Hamburg gibt’s doch Arbeit genug?
Frohriep sagte es jeweils an, woher die Schiffe kamen:«Norwegen»,«Finnland.»Aber das war gar nicht Finnland, sondern Schweden… Die Kinder aus Klein-Wense wunderten sich, daß der Lehrer nicht weiß, daß blau und gelb Schweden ist.
Dann gab es eine kleine Sensation – Matthias wurde angestoßen -, da kam doch tatsächlich nicht etwa Hans Albers oder Ilse Werner um die Ecke, sondern kein anderer als der berühmte Botschafter Grewe, genannt«Bubi», in Gesellschaft eines Negers!
«Seht mal, Kinder, das ist der deutsche Botschafter Grewe! Der hat an der Hallsteindoktrin mitgearbeitet!»- War der nicht sogar Professor? Hallsteindoktrin! Alleinvertretungsanspruch! Einwandfrei!
Die Kinder interessierten sich nicht so sehr für den Diplomaten mit den abstehenden Ohren, sie glotzten den schwarzhäutigen Herrn an seiner Seite an. Sie hatten noch nie einen Schwarzen gesehen. Und schon gar keinen mit einer Aktentasche und goldenen Manschettenknöpfen. Das war ja ein rechter Glückstag! -«Vielleicht kriegen wir ja noch einen Chinesen zu sehen…»- Und daß der Diplomat ganz in der Nähe eine Weile stehenblieb und mit dem dunklen Herrn redete, war ja direkt wunderbar. Redete der nicht sogar Englisch? How do you do? Die Kinder waren kaum davon abzuhalten, ihn zu fragen: How do you do? Wahrscheinlich erklärte er ihm, wieso hier ein Schiff der sowjetischen Handelsmarine in den Hafen einfährt und was das mit der Hallsteindoktrin zu tun hat. Mal aufpassen in den nächsten Tagen, ob was in der Zeitung steht. Stehen hier ganz zwanglos im Hafen herum und sprechen über den Alleinvertretungsanspruch. – Wollten die am Ende auch eine Hafenrundfahrt machen? Nein, sie schritten davon. Schade, sonst hätte man sie die ganze Tour über betrachten können.
«Hallsteindoktrin, Kinder, darüber sprechen wir dann morgen noch ausführlich.»
Die Hafenrundfahrt ging problemlos über die Runde, ganz ohne Möwenbombardement und Magenopferungen. Frohriep redete mit dem Barkassenführer, ob die Kinder mal den Motor sehen dürfen, und der hob die Haube auf, und dann gings weiter. Attraktiv waren die Pfeifkünste von Elfriede. Sobald sie einen Matrosen sah, auf einem Schiff, pfiff sie. Und die pfiffen dann zurück.«Ich glaube, das lassen wir lieber bleiben…»
«So, Kinder! Jetzt geht’s zu Hagenbeck!»Eben noch mal alle durchzählen, und dann: los! Die Horde lief die Treppen zur U-Bahn hinauf, Kollege Frohriep ordnungsgemäß vorn und Matthias hinten: und dauernd zählen, ob auch noch alle beisammen sind. Und oben, da fehlte tatsächlich ein Mädchen, als schon alle eingestiegen waren. Alles wieder raus!! Das Mädchen hatte sich, um einen Scherz zu machen, hinter eine Litfaßsäule gestellt.«Du meldest dich morgen früh.»
Zwölf Uhr und dreißig Minuten: planmäßiges Eintreffen bei Hagenbeck.
«Also Kinder, nun setzt euch mal alle hin, hier könnt ihr euch was kaufen und euer Brot essen.»
Die Kinder holten Brause in Literflaschen aus dem Rucksack und Pakete mit Kartoffelchips. Sie setzten die Buddeln ganz so an, wie der Mann mit der tätowierten Schlange auf der Brust es getan hatte.
Andere Busse kamen mit anderen Schülerpulks und Lehrern vorn und hinten. Nun hätte man die Klassenfahnen«Sonne»und«Apfel»doch ganz gut brauchen können.
Dann zeigte Herr Frohriep ihnen, wo’s losgeht mit dem Rundgang, bei Nummer eins. Das war irgendwie logisch, und dann wurde gesagt, sie brauchten nur die Nummern entlangzugehen, von«I»an bis zum Schluß.«Also eins… und dann?»-«Zwei!»
-«Gut. Und dann?»-«Drei!»und so fort, bis zum Ausgang,
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