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Heile Welt

Heile Welt

Titel: Heile Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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und dort werden sie dann um 15 Uhr wieder abgeholt. Punkt 15 Uhr.
    «Verstanden? »
    «Ja!»
    «Wo fangt ihr an?»
    «Bei Nummer eins!»
    «Wo werdet ihr wieder abgeholt?»
    «Am Ausgang!»
    «… und wann?»
    «Um 15 Uhr!»

    Dann sagte Frohriep zu Matthias: So, das hätten wir, jetzt gehn wir erst mal ordentlich essen. Und dann setzten sie sich in ein Restaurant und aßen ein Schnitzel mit Zitrone und Salatblatt und tranken Bier. Aufsichtspflicht?«Die übernimmt Hagenbeck.»
    Matthias war das nicht ganz geheuer, aber Frohriep wußte es genau: Nirgends sind die Kinder sicherer als im Tierpark, alles eingezäunt und unter Verschluß. Dafür sorgt die Direktion schon aus Selbsterhaltungstrieb. Außerdem kommt zweimal pro Woche die Gewerbeaufsicht.
    Die beiden machten es sich also bequem, sie legten die Füße auf den Blumenkübel und erzählten sich was, von fern das Geschrei der Papageien. Dabei beobachteten sie ein Flugzeug nach dem anderen, alle stiegen rechts auf und zogen dann nach links langsam über den Himmel. Frohriep bedauerte es, daß man so etwas nicht über der elektrischen Eisenbahn installieren kann.

    Matthias konnte seine verschiedenen Lebensstarts nicht so recht loswerden, Frohriep behielt das Heft in der Hand mit seinen Elektrische-Eisenbahn-Geschichten. Er legte jeden Pfennig in Schienen und Weichen an. Seinem Sohn, obwohl erst drei Jahre alt, hatte er bereits einen Einstiegsatz geschenkt, allerdings mit Uhrwerkantrieb.
    Fünf Züge könne man gleichzeitig unter Kontrolle halten, sagte er, darüber hinaus gehe alles koppheister. Er hatte von seinem gefallenen Bruder einst eine 0-Eisenbahn geerbt, mit Speisewagen und allem Drum und Dran. Aber die brauchte zuviel Platz, die hatte er weggeschenkt, er war umgestiegen auf Spur H0, und die hatte er auf dem Dachboden untergebracht, auf einem Brett fest montiert, zum Hochklappen über der Treppe. Seine Kollegen lud er immer wieder zur Besichtigung ein, aber niemand hatte der Einladung folgen mögen. Im Grunde seines Herzens träumte er von einem Eisenbahnerklub, von Freunden also, die sich sonntags treffen, sich neue Modelle zeigen und schließlich unter Ausschluß der Ehefrauen, die sich inzwischen in der Küche was erzählen, die Kelle heben. Wenn alle zusammenstünden und jeder, sagen wir mal, drei Züge mit je sechs Wagen und ein gewisses Kontingent an Schienen einbrächte, dann könnte man eine Anlage aufstellen, die ihresgleichen suche.

    Nachdem sie lange genug herumgesessen hatten, rafften sie sich auf und machten denn doch noch einen schlendernden Rundgang, wenn man schon mal bezahlt hat!
    «Mal sehen, wo wir die Kinder treffen – die stehen bestimmt bei den Affen! »
    Sie bummelten von Nummer zu Nummer -«Pinguine!»- und freuten sich, daß die Kinder dies alles zu sehen kriegten. Elen-Antilopen, Bären und Flamingos. Eine Kreuzung zwischen Pferd und Zebra war irgendwo abgestellt, so was sah man auch nicht alle Tage.
    «Sehen Sie mal da oben, den Korb für die Giraffe.»
    Frohriep erklärte Matthias alles, auch das, was es auf dem Wirtschaftsgang zu sehen gab, den man eigentlich nicht betreten sollte. Eine Schubkarre mit Fäkalien stand da und eine Gießkanne, weiß der Himmel, wozu die gebraucht wurde.

    Von Nummer zu Nummer gingen sie, zuerst langsam, dann doch schneller und schneller, denn: Kein einziges Kind der Börde Kreuzthal war zu sehen! Ein Tierwärter wurde angehalten und gefragt, ob er nicht die Kinder gesehen hat.
    «Kinder?»fragte der und zeigte auf die bunten Horden fremder Kinderpulks.
    Vielleicht auf dem Spielplatz? Los, hinrasen, von Schaukel zu Schaukel, Rundlauf, Wippe, Rutschbahn – nichts! Nun wischte sich Frohriep denn doch die Stirn. Um Gottes willen!

    Am Ausgang, da standen sie dann und erwarteten die Lehrer. Sie hatten sich kein einziges Tier angeguckt, keine Giraffe, kein Nashorn, nicht einmal den mit seinem Geschlechtsteil spielenden Mandrill – sie waren vom Eingang durch den ganzen Park sofort zum Ausgang gestürmt und hatten dort auf die Lehrer gewartet. Bloß nicht zu spät kommen, war die Devise gewesen, sonst fährt der Bus ohne uns ab…

    Ein Tierparkbeamter kam geschritten, der wollte nicht etwa das Durchrasen beanstanden, der fragte, ob die Herrn Lehrer das verantworten könnten, daß die Kinder aufs Geharkte trampeln? Da stehe doch ganz klar und deutlich:«Zugang verboten!»
    Andere Lehrer kamen mit ihren Kindern angerudelt, erquickt vom Wissenserwerb. Beim Schulaufsichtskreis Kreuzthal war einiges

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