Heile Welt
gesetzt, damit sie schnell zugreifen kann, wenn Holland in Not ist.
Dann wurden Gesangbücher ausgeteilt, und Matthias war fein heraus, daß er singen konnte, und er tat es laut und deutlich.
In dir ist Freude
in allem Leide…
Das englische Mädchen gab jeweils bekannt, ob es das Lied auch auf englisch gibt, was ja wirklich hochinteressant war, sie hieß Denny, wie gesagt. Englische Kriegsgefangene wurden von Frau Wallenberg erwähnt, die hier mal irgendwo gesichtet worden waren, an sich sei das hier eine Domäne der Franzosen gewesen, von denen sogar einige an Grippe starben…, äußerst bedauerlich, wenn einer in Gefangenschaft ist, dann denkt man doch, er hat alles hinter sich? Und Matthias erzählte, daß er ein Buch gelesen habe -«Eira und der Gefangene»-, von einem deutschen Kriegsgefangenen in Irland, der sich mit einer jungen Bäuerin dort befaßt habe, was natürlich streng verboten war, und er erzählte ferner, daß die Engländer seine Heimatstadt schwerstens mit Bomben belegt hatten, obwohl keinerlei Industrie, jedenfalls nicht in dem Waisenhaus, Hartestraße 6, in dem dann fünfzehn Kinder zerfetzt wurden.
Die Kreuzthaler Börde hatte nur beim Zusammenbruch Engländer zu sehen gekriegt, einmarschierenderweise, im großen und ganzen anständige Leute, wenn man von der Erschießung der beiden Jungen in Kreuzthal einmal absah, was man von den Schweden im 17. Jahrhundert nicht gerade hatte sagen können, deren Raub-und Plünderspuren bis heute noch nicht vernarbt seien.
Die Schweden, sagte die Frau Pastor, die immer wieder gezwungen war, zum Kindertisch hinüberzugehen – Frau Wannenfeld tat nicht dergleichen -, ob da auch alles in Ordnung ist, ein wundervolles Volk, die Schären und das alles, das Land solle ja wundervoll sein, Smörebröd, die Wälder und die schönen Holzhäuser, jedes mit einem eigenen Bootssteg davor! Sie möchte so gern mal nach Schweden, aber sie komme ja nicht raus, jeden Tag hundert Leute zu Tisch, und dauernd klingelt das Telefon…
Norwegen hingegen, wild und zerklüftet, mit all den Fjorden, die ja so maßlos tief und kalt sein sollen, das verlocke sie nicht so sehr, immer ein Wasserfall neben dem andern?
«Die Norweger sollen ja auch so schlechte Zähne haben…»Schnell rüberlaufen zu den Kindern, und das Stuhlwackeln verhindern, das bohrt sich so in den Rasen ein, und außerdem sieht man es schon kommen, wie es den ganzen Tisch umschmeißt. Daß sich Denny hinsichtlich der Kinder so überhaupt nicht rührte? Da fragte man sich denn doch: Wofür hatte man sie eigentlich? Deutsch wollte sie lernen, aber das funktionierte auch igendwie nicht. Wenn was zu sagen war, suchte die gesamte Familie regelmäßig ihre Englischbrocken zusammen.
Der Pastor wußte, daß deutsche Soldaten in Skandinavien eine Bahnlinie gebaut hatten, hoch im Norden, die die Norweger jetzt fleißig benutzten, die wär denen nach 45 ganz schön in den Schoß gefallen. Und die Finnen, ausgeschert aus dem Krieg, als es den Berg runterging, obwohl Deutschland ihnen so geholfen hatte, im Ersten Weltkrieg schon, gegen die Russen, und im Zweiten noch mal. Die deutsche Wehrmacht hatte ihnen dann ja, 1944, leider auch Vieh weggetrieben und Häuser angezündet. Also auch mit denen Essig jetzt.
Ein kleines, tapferes Volk. Die Sprache allerdings absolut unverständlich, und die Mädchen nicht hübsch, schlechter Teint und kleinwüchsig, im Gegensatz zu den langbeinigen blonden Schwedinnen, die ja berühmt seien für ihre Schönheit.
Der Pastor ging an die Pforte und guckte die Straße hinunter, ob der Schriftsteller nicht kommt, den er wegen des jungen Lehrers extra gebeten hatte, daß die sich mal kennenlernen, und dann die Bälle so zuwerfen, also Gespräche führen und sich gegenseitig anregen in jeder Beziehung, vielleicht auch mal ein Gläschen trinken, warum nicht?
Nein, Alexander Sowtschick war nicht in Sicht, und der Pastor setzte sich wieder an den Tisch. Eben noch mal schnell eine Tablette schlucken, aus der hohlen Hand, ein Glas Wasser ist natürlich wieder nicht hingestellt worden, aber man kann sich freilich auch mit Tee behelfen, das ist wahr.
Dann langte er unter den Tisch und brachte seine Laute hervor, die er dort deponiert hatte.
«Ach ja, Ottfried», sagte seine Frau,«spiel uns mal was vor.»Und die anderen Gäste sagten auch alle:«O ja! Schön!»
Der Pfarrer strich schon mal probeweise die Saiten entlang, ob sie auch wohlgestimmt sind, und begann dann die Lieder seiner
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