Heile Welt
Mädchen, das er hier manchmal sieht…
Ihm machte es Spaß, sie in Angst zu versetzen. Er hatte in seinem Leben auch schon viel Angst gehabt. Mal’n bißchen zittern, so was konnte nie schaden. Moorleichen – ewig bedauerlich, daß er im Lehrmittelschrank nicht wenigstens eine verdorrte Hand liegen hatte…
Wann die Heide blüht, wurde gefragt.«Auf der Heide blüht ein kleines Blümelein…», und nach Absingen dieses Marschliedes, wobei Hitlerjugend nachgeahmt wurde, mit der man an sich nichts am Hut gehabt hatte, beschlossen die Bentwitschs, im August/September wiederzukommen, wenn’s soweit wär’. Das hatte man immer schon mal gewollt, die blühende Heide sehen, das muß ja ein unglaublicher Anblick sein! Vielleicht hatte Kallroy ja auch mal blühende Heide gemalt? Und vielleicht könne man so ein Bild günstig erwerben?
«Vielleicht kommen ja auch die Reiher wieder, die hier früher gehorstet haben… », sagte Matthias.
Als sich dann aber in der Ferne ein ausgewachsener Damhirsch zeigte, kehrten sie doch lieber um. Diese Tiere sind oft unberechenbar und«nehmen»einen«an», wenn man mit so was gar nicht rechnet – man muß schließlich an die Kinder denken.
An der Eische stand eine Bank, auf der nahm die ganze Gesellschaft Platz, und schade, daß sie den Kuchen im Auto liegengelassen hatten, den hätte man hier jetzt schön konsumieren können. Kamerad Bentwitsch unternahm es, im Trab zurückzulaufen, den Schinken, den er noch immer unter dem Arm trug, zu verstauen, und Kaffee und Kuchen zu holen. So saß Matthias denn mit der Wuppertalerin aus Thüringen, deren breiter Gürtel ihr den Podex irgendwie zusammenfaßte und auskragen ließ, auf der Bank, und es war wunderbar, daß die beiden Kinder dabei waren. Denen konnte man zurufen, daß sie sich vorsehen sollen, nicht zu nahe rangehen an das dunkle Wasser, was da gurgelt und strudelt, das ist gefährlicher, als es aussieht, aber Steine reinschmeißen, das geht ohne weiteres. Nur aufpassen, daß man keinen Fisch trifft. Und darauf achten, daß keine Ente unter der Brücke hervorkommt, mit ihren Kleinen womöglich, wenn die einen Stein an das Bein kriegen, lahmen sie dann ihr ganzes Leben lang, ein schrecklicher Anblick. So wie das Bullenkalb vom Kiesbauern, auf der Weide, das Bein gebrochen, und keiner hat sich drum gekümmert. Da muß man dann jedesmal in die andere Richtung gucken, wenn man da vorbeigeht.
Matthias übte mit den Kindern Humpeln, wer’s am besten kann, ein Bein steif machen…
Und da kam Theo auch schon herbeigelaufen, wischte sich den Schweiß. Den Korb stellte er auf die Bank, und der wurde dann geplündert, großartiger Topfkuchen und Kaffee aus der Thermoskanne. Es stellte sich Vertraulichkeit ein zwischen den Erwachsenen, und das kleine Mädchen begann zudringlich zu werden, dem Onkel Lehrer am Haar zu zupfen und so weiter.
Ewig schade, daß er nicht gleich den Campingwagen hierhergefahren hat, sagte Kamerad Bentwitsch, dann hätten sie’s sich auf den Liegestühlen bequem machen können, oder sei das Aufstellen von Liegestühlen hier verboten? Solle er noch mal schnell loslaufen? Bentwitsch setzte eine kecke Miene auf. Wie wär’s, sagte er, wenn sie sich hier im Dorf einen festen Stellplatz für den Campingwagen besorgten, dann könnten sie jedes Wochenende herkommen? Ob es im Wald auch Pilze gibt, und wenn die Bauern schlachten, kriegt man da was ab? Wellfleisch oder Wurstbrühe?
Eier und Butter und Bienenhonig! Auf dem Land könne man das doch gewiß billiger und besser kriegen als in der Stadt? Das war’ für die Kinder doch das Rechte?
«Und Omi können wir dann ja auch mal mitnehmen…»
Als sie da so saßen und den Kaffeerest in die Gegend kippten, kam Carla mit dem Trecker angefahren. Sie wurde angehalten, ob sie auch ein Stück Kuchen will? Und ob hier jemand einen Kahn besorgen kann, mit dem man mal ein bißchen auf dem Fluß herumschippern kann?
Ja, das konnte Carla, sie hatte ja selbst einen, und bald saß die ganze Gesellschaft in dem Kahn, und Carla stakte mit ebenmäßigen Bewegungen flußabwärts. Zuerst stakte Carla, dann Kamerad Bentwitsch, der denn so tat, als ob er die Balance verliert und so halb auf Carla drauffällt, dann wieder Carla. Nebenbei gab sie Erklärungen ab, die auch für Matthias ganz interessant waren. Wem diese Weide zugehört und jene , und wem der Wald da drüben zugehört, und daß das Land hier fünfzig Pfennig den Quadratmeter kostet.
Theo Bentwitsch druckste ein
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