Heilige Mörderin: Roman (German Edition)
sollen?«
»Nein, natürlich haben Sie nichts falsch gemacht. Ich wollte nur Frau Wakayamas gestrige Aussage überprüfen.«
Ayane barg das Gesicht in den Händen.
»Ich kann es einfach nicht fassen. Mein Mann hatte keinerlei Beschwerden. Am Freitag hatten wir noch Freunde zu Gast. Er war so lustig und guter Dinge.« Ihre Stimme zitterte.
»Ich kann mir vorstellen, wie schwer das für Sie ist. Wen hatten Sie eingeladen?«
»Einen Studienfreund meines Mannes und seine Frau – Tatsuhiko und Yukiko Ikai.« Ayane nahm die Hände vomGesicht. Sie schien einen Entschluss gefasst zu haben. »Ich habe eine Bitte.«
»Welche denn?«
»Müssen wir jetzt sofort aufs Revier fahren?«
»Warum?«
»Wenn es möglich ist, würde ich gern vorher zu Hause vorbeischauen. Ich möchte sehen, wo er gestorben ist … Ginge das?«
Kusanagi schaute wieder seine Kollegin an. Doch diesmal trafen sich ihre Blicke nicht. Utsumi sah geradeaus und schien sich ganz auf die Straße zu konzentrieren.
»Gut. Ich frage kurz bei meinem Vorgesetzten nach.« Kusanagi zog sein Handy hervor und rief Mamiya an, der sich einverstanden erklärte.
»Tatsächlich hat sich die Lage etwas geändert. Es könnte sogar besser sein, sie direkt am Tatort zu befragen. Bringen Sie sie in ihr Haus.«
»Inwiefern hat die Lage sich geändert?«
»Das erzähle ich Ihnen später.«
Kusanagi legte auf und sagte Ayane, dass sie nun zu ihr nach Hause fahren würden.
»Das ist gut«, flüsterte sie.
Als Kommissar Kusanagi wieder geradeaus auf die Straße sah, hörte er, wie Ayane telefonierte.
»Hallo? Hiromi? Ich bin’s, Ayane.«
Kusanagi war verblüfft. Er hätte nie gedacht, dass sie jetzt Hiromi Wakayama anrufen würde. Aber er konnte sie ja auch schlecht davon abhalten.
»Ja … Ich weiß. Ich bin jetzt mit der Polizei unterwegs nach Hause. Du Arme, du musst Schreckliches durchgemacht haben.«
Kusanagi wurde nervös. Wie Hiromi wohl reagierte? Womöglich würde sie in ihrer Trauer um den geliebten Mann ihr Geheimnis preisgeben. Dann würde Ayane wohl ebenfalls die Fassung verlieren.
»… Ja, scheint so. Geht es dir gut? Fühlst du dich auch nicht zu schwach? … Dann ist gut. Könntest du vielleicht noch mal kommen? Ich weiß, das ist viel verlangt, aber ich muss unbedingt mit dir reden.«
Offenbar gelang es Hiromi Wakayama, die Fassung zu wahren.
»Geht das? Gut, dann bis später. … Danke, tut mir leid, dass ich dir das jetzt noch aufbürde.« Ayane legte auf. Man hörte ein leichtes Schniefen.
»Kommt Frau Wakayama?«, erkundigte sich Kusanagi.
»Ja. Ach … oder ist das unangebracht?«
»Nein, das macht nichts. Immerhin hat sie die Leiche gefunden, also ist es sogar sinnvoll, sie noch einmal zu befragen.«
Kusanagi war neugierig, wie sich die Geliebte in dieser Situation gegenüber der Ehefrau verhalten würde. Und wenn er Ayane aufmerksam beobachtete, würde er vielleicht herausfinden, ob sie etwas vom Verhältnis ihres Mannes mit ihrer Schülerin gewusst hatte.
Sie verließen die Hochautobahn, und Utsumi steuerte den Pajero zielsicher zum Haus der Mashibas. Sie war schon gestern mit dem Wagen gekommen und kannte den Weg.
Mamiya und Kishitani warteten bereits am Tor auf sie. Sie stiegen aus, und Kusanagi stellte ihnen Ayane vor.
»Unser herzliches Beileid.« Nachdem Mamiya sich höflich vor Ayane verbeugt hatte, wandte er sich an Kusanagi. »Haben Sie Frau Mashiba erklärt, worum es geht?«
»In groben Zügen.«
Mamiya nickte und sah wieder Ayane an. »Wir haben einige Fragen an Sie. Es tut mir leid, dass wir Sie gleich nach Ihrer Ankunft damit behelligen müssen.«
»Das macht doch nichts.«
»Wir gehen erst einmal rein. Kishitani, den Schlüssel.«
Kishitani zog den Schlüssel aus der Tasche. Ayane schloss auf und betrat das Haus. Die Kriminalbeamten folgten ihr. Kusanagi trug ihren Koffer.
»Wo ist mein Mann gestorben?«, fragte sie.
»Kommen Sie bitte.« Mamiya ging voran.
Auf dem Boden im Wohnzimmer war noch das Klebeband, mit dem man die Umrisse der Leiche markiert hatte. Bei diesem Anblick hielt Ayane abrupt inne und schlug die Hand vor den Mund.
»Frau Wakayama zufolge muss Ihr Mann an dieser Stelle zusammengebrochen sein«, erklärte Mamiya.
Trauer und Entsetzen schienen Ayane zu überwältigen, und sie sank auf die Knie. Ihre Schultern bebten, und ein leises, krampfhaftes Schluchzen entrang sich ihr.
»Um wie viel Uhr ist es geschehen?«, fragte sie.
»Es war fast acht, als Frau Wakayama ihn fand«,
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