Heilige Scheiße - Bonner, S: Heilige Scheiße: Wären wir ohne Religion wirklich besser dran?
er will uns zwar unter die Arme greifen, kann es aber nicht – ist also gütig, aber nicht allmächtig. Oder er könnte all die Übel beheben, lässt es aber trotzdem bleiben – dann ist er zwar allmächtig, aber nicht von der netten Sorte.
Der derzeit bekannteste Verteidiger auf Gottes Seite ist der Fundamentaltheologe Armin Kreiner. Seine These: Da alles auf der Erde voneinander abhängig sei, könne auch Gott nicht einfach gegen die Gesetze der Natur verstoßen. »Dieselben Naturgesetze, die unsere Existenz ermöglichen«, sagt er in einem Vortrag von 2009, »ermöglichen auch die Entstehung der natürlichen Übel! Wenn man an diesen Naturgesetzen kleine Veränderungen vornimmt, dann landet man in einer komplett anderen physikalischen Welt. Und nur minimale Veränderungen schließen unsere Existenz aus.« Man weiß ja, was passiert, wenn wir die Bienen ausrotten würden – der ganze Planet kippt aus den Latschen. Und genauso, sagt Kreiner, könne Gott für das Leben eines Menschen natürlich nicht die Regeln der Natur außer Kraft setzen, weil dann alles zusammenbräche. Dass Gott den Gegebenheiten hilflos gegenübersteht, ist inzwischen eine gängige Vorstellung. Eine Delegation sächsischer Theologen, die für die Zeit Glaubensfragen der Leser beantwortete, schrieb auf die Frage, warum Gott zulasse, dass Kinder sterben: »Möglicherweise hat er der irdischen Welt ein solches Maß an Freiheit geschenkt, dass auch das Böse überall wirksam bleibt: in Krieg, Hass, Gewalt, Tod. Doch sterbende Kinder drückt Gott besonders an sein Herz. Nur für uns sind sie tot.«
Ob er nun allmächtig ist oder nicht, es steht außer Frage, dass Gott sich nach den Schilderungen in der Bibel nur mit Mühe das Beiwort »lieb« verdient hat. Niemand kann sagen, er hätte nicht gewusst, auf wen er sich da einlässt. Immerhin liefert uns die Bibel ein detailliertes Psychogramm Gottes: Er zerstört in Sodom und Gomorrha ganze Städte, treibt seine Anhänger fast so weit, dass sie ihre eigenen Kinder umbringen, und richtet mit der Sintflut einen weltweiten Genozid an. Für den Evolutionsbiologen und Berufsatheisten Richard Dawkins ist Gott daher »ein rachsüchtiger, blutdürstiger Massenmörder, ein frauenfeindlicher, homophober, rassistischer, kindermordender, völkermordender, sohnmordender, verpesteter, größenwahnsinniger, sadomasochistischer, launenhaft übelwollender tyrannischer Rüpel«.
Das Argument, der Gott des Neuen Testaments sei besser als der des Alten, entkräftigt die Bibel im Übrigen schon selbst, indem sie ihren Gott als unwandelbar und absolut vollkommen preist, wie unter anderem im Brief des Jakobus zu lesen ist: »Lasst euch nicht irreführen, meine geliebten Brüder; jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk kommt von oben, vom Vater der Gestirne, bei dem es keine Veränderung und keine Verfinsterung gibt.« (Jak 1, 16-17)
Dieses Neue Testament, oft als Botschaft der Liebe und Vergebung gerühmt, ist ganz und gar nicht ohne. »Die Bibel – und zwar nicht nur das Alte, sondern auch das Neue Testament – ist in zentralen Teilen ein gewalttätig-inhumanes Buch, als Grundlage einer heute verantwortbaren Ethik ungeeignet«, schreibt Franz Buggle in Denn sie wissen nicht, was sie glauben und zählt als Beweis zahlreiche Belege für die Ausmalung schlimmster Höllenstrafen und den Aufruf zur Verfolgung von Atheisten, Häretikern, Juden und Geisteskranken auf. Darüber hinaus prangert Buggle die Diskriminierung von Frauen und das Lob der Sklavenhaltung auch im Neuen Testament an. Wenn man die Bibel liest, wird schnell klar, dass dieser Gott weit unter unseren heutigen ethischen Mindeststandards agiert und eigentlich ein Fall für den Internationalen Gerichtshof von Den Haag wäre.
»Es gibt wohl keinen guten Vater, der unserem himmlischen Vater gleichen möchte.«
Denis Diderot
Es wäre nicht das erste Mal, dass Gott Ärger mit der Justiz bekäme: Senator Ernie Chambers aus dem amerikanischen Bundesstaat Nebraska reichte 2007 kurzerhand vor dem Bezirksgericht Omaha Unterlassungsklage gegen den Allmächtigen ein. Gott sollte auf diesem Wege verboten werden, die Menschen mit »zerstörerischen Aktionen« wie Erdbeben, Stürmen, Hunger und Dürre zu terrorisieren. Auch die Androhung solcher Aktionen sollte ihm unter Strafe gestellt werden. Eine weitere Klage kam aus Rumänien, wo der verurteilte Mörder Mircea Pavel Gott wegen »Betrugs, Vertrauensbruch und Korruption« vor den Kadi zerren wollte.
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