Heilige Scheiße - Bonner, S: Heilige Scheiße: Wären wir ohne Religion wirklich besser dran?
Partyknaller.
»Und, was hält die nähere Zukunft für mich bereit?«, fragt Sven erheitert, ohne den missbilligenden Blick seiner Liebsten zu bemerken.
»Wie eine Palme ist dein Wuchs; deine Brüste sind wie Trauben. Ich sage: Ersteigen will ich die Palme; und greife nach den Rispen« , zitiert Alina aus dem Hohelied. Sven scheint diese Zukunftsperspektive zu gefallen, Tanja wird rot.
»Und jetzt noch einen für die großzügige Spenderin«, ruft Alina und deutet auf sie.
»Dazu ist die Bibel nun wirklich nicht da«, sagt Tanja. »Du solltest sie mal ernsthaft lesen, dann wüsstest du, wie viel Wahrheit darin steckt.«
Alina bleibt mit dem Finger auf einer Stelle bei Jesus Sirach hängen. »Wohin schon ein anderer blickt, dahin streck deine Hand nicht aus« , liest sie vor, »sonst triffst du mit ihm in der Schüssel zusammen.«
Tanja runzelt die Stirn. Der Zauberponylook ist weg.
»Hugh«, meint Alina, »der Herr hat gesprochen.« Sie holt sich ein kühles Blondes und dreht die Musik wieder auf.
Tanja klammert sich an ihr Getränk, kommt dann aber schließlich mit unserem Freund Arno über die Bibel ins Gespräch. Partytalk sieht anders aus, die beiden diskutieren wild bis in die späte Nacht hinein, als schon alle anderen matt auf der Couch hängen.
Als Sven und sie sich verabschieden, umarme ich sie spontan.
»Danke für die Bibel«, sage ich. »Das war ein tolles Geschenk.«
Tanja lächelt. Und ich auch: Ich habe mir nämlich schon vorgenommen, dass ich die Heilige Schrift ab jetzt häufiger mal zum Wahrsagen verwende. Wer hätte gedacht, dass ein zweitausend Jahre altes Buch zum großen Partyspaß taugt?
D er Schmöker ist in Wahrheit keine leichte Kost. Selbst der Vizepräsident der Evangelischen Kirche in Deutschland, Thies Gundlach, gibt zu: »Ohne Erklären, Durchdringen und Entfalten ist das Erzählen der biblischen Geschichte wie ein Ikea-Bett ohne Bauanleitung – das kann gut gehen, muss aber nicht.« Sicher ist jedenfalls: Eine Generation, bei der Bücherlesen nicht ganz oben in den Charts der Freizeitaktivitäten rangiert, wird vom großen Glaubensmanifest erst mal Abstand nehmen. Wir sind eher Infovermittlung auf die einfache Art gewohnt: Im Internet gibt’s Nachrichten im Häppchenformat, bei Twitter und Facebook beschränken wir uns auf einzeilige Statusmeldungen, und es sollte bitte recht unterhaltsam und nicht zu ernst daherkommen – vielleicht ein Grund, warum man sich ein Best-of der schönsten Bibelverse mittlerweile per sms schicken lassen kann. Die Bibel ist rein als Gegenstand betrachtet ein abschreckender Trumm ohne jeden Lesekomfort, so klitzeklein auf fummeligem Butterbrotpapier gedruckt, dass man sich eine Zoomfunktion wünscht. Eine solche Bleiwüste tun sich in Zeiten von quietschbunten Mangas doch nur noch Hartgesottene an. Das dachte sich wohl auch Mediengestalter Oliver Wurm, der das Neue Testament als Magazin herausbrachte und die interessanteren Stellen durch besonderes Layout hervorhob. »Da steht eigentlich gutes Zeug drin«, fand er, »aber man müsste es mal so gestalten, dass man es auch lesen kann.« Mit seinem Magazin Das Neue Testament möchte er den Menschen »ein bisschen die Angst vor der Bibel nehmen«. Und dabei ist er kein strenggläubiger Kirchengänger, sondern findet einfach: »Die Lektüre hat mich nicht dümmer gemacht. Mich hat erstaunt, wie viele spannende Sachen in der Bibel stehen – neben den Passagen, die, ehrlich gesagt, zum Einschlafen sind.«
Um wieder mehr Leser zu erreichen, versuchen es andere Projekte wie Die Kinderbibel mit bunten Bildern für das iPad oder Die Volxbibel mit Jugendsprache: Die Idee dazu hatte Martin Dreyer. Er war fest entschlossen, die Botschaft der Bibel unters Volk zu bringen, weil Gott und Jesus das von ihm wollten. Mit einer Online-Übersetzercrew unterzog er das Alte und Neue Testament einer sprachlichen Kernsanierung. In der Volxbibel liest sich die Vertreibung aus dem Paradies nun wie die Abrechnung in einem Scorsese-Streifen: »Gott feuerte Adam aus dem Paradies raus, aber er gab ihm ein Stück Land, was im Osten von seinem Garten lag. Um den Baum des Lebens zu beschützen, stellte Gott einen extra Türsteherengel davor. Der war gut bewaffnet mit einem Schwert, was aus Feuer war, wie so ein riesen Flammenwerfer. Mit diesem Schwert fuchtelte er immer hin und her, damit der Weg zum Baum hundertpro gesichert wurde.« Der Papst lobte das Engagement »für die Verbreitung der frohen Botschaft Jesu Christi
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