Heiliger Bimbam – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)
Überzeugung, »wird sich zeigen.« Er nahm seinen Hut und ging zur Tür. »Gute Nacht, Gentlemen. Ich fürchte, viel Schlaf werde ich nicht bekommen.«
Fen winkte träge mit einer Hand aus der Tiefe seines Sessels. »Gute Nacht, lieber Inspektor«, rief er. »Gute Nacht, gute Nacht.« Er trank seinen Whisky aus; seine Stirn legte sich vor angestrengter Konzentration in Falten. »Eine sonderbare Klimax, diese Funkgeschichte – oder Antiklimax. Unbefriedigend wie der Schluß von Maß für Maß . Die Sache ist kompliziert, Geoffrey. Es gibt da einige Unwägbarkeiten …«
Geoffrey gähnte. »Gott, bin ich müde. Was für ein Tag! Nicht zu glauben, daß ich erst heute morgen Ihr Telegramm und den Brief erhalten habe. Gebe Gott, daß ich nie wieder so einen Tag erlebe.« Er rieb sich kläglich die Oberschenkel und schlenderte zur Tür. »Zwei Drohbriefe, drei Angriffe; und obendrein lerne ich noch einen Earl kennen, der in einem Geschäft als Verkäufer arbeitet, und einen Wirt, der einem Roman von Graham Greene entsprungen sein könnte, und ich muß mitanhören, wie jemand ermordet wird.«
Fen lächelte sanft. »Ich frage mich, ob Sie recht haben«, sagte er. »Gute Nacht, Geoffrey. Laßt Tränen nicht, noch Trauerklagen, des Nachts den ruhigen Schlummer mindern, kein irr’ger Zweifel soll sich wagen, durch dunkle Furcht den Schlaf zu hindern; kein schwerer Traum, kein Schreckensbild soll jäh zu Tode uns erschrecken …«
Als Geoffrey ging, versuchte Fen gerade den Falter zu fangen, um ihn in eine leere Streichholzschachtel zu sperren.
Grotesk, dachte Geoffrey, während er am nächsten Morgen im Bett lag und mit gebanntem Ernst an die Decke starrte: ein lachhaftes Durcheinander aus Gespenstern und Spionen. Die Morde lagen klar auf der Hand: Zumindest waren sie nachweislich geschehen. Aber Gespenster waren unfaßbar, feindliche Spione fast ebenso. Das Tageslicht, so dachte er, wird uns wieder zur Vernunft bringen, oder wenigstens in den verblendeten und beschränkten Zustand versetzen, den wir Vernunft nennen. Selbst unmögliche Morde werden der durchdringenden Kraft des Morgenlichts nur schwerlich standhalten können. Ganz offensichtlich war irgend etwas übersehen oder eklatant fehlgedeutet worden. Das deutsche Sendegerät würde sich als die ungeschickten Basteleien eines technisch interessierten Schuljungen entpuppen. Wenn man die Fakten nüchtern betrachtete – tja, was dann? Wenn man die Fakten nüchtern betrachtete, so mußte Geoffrey zugeben, schien das Tageslicht seine normalerweise ernüchternde Wirkung zu verfehlen. Im Grunde hatte sich seit dem Vorabend nichts verändert; die Ereignisse des vergangenen Tages, die, soviel war klar, der Verstand am liebsten als schillernde Selbsttäuschung verbucht hätte, waren erschrekkend unempfindlich gegen solch willkürliche Tilgungsversuche; obendrein drängten sie sich quälend in die naiven und jungfräulichen Pläne des Verstandes, die kommenden Stunden friedlich zu verbringen – ein moralischer Kater, ein bekleckstes und bekritzeltes Blatt, das sich nicht aus dem Schreibheft reißen lassen will. Es vergiftete jedes Vergnügen. Geoffreys Stimmung verschlechterte sich merklich. Übellaunig sinnierte er über die verheerenden Einbrüche des Es in die friedliche Weite seiner Persönlichkeit nach.
Er registrierte, daß ihn weder Jagdlust erfüllte noch das brennende Verlangen, die Wahrheit aufzudecken; und das war vermutlich auch der Grund, warum er noch immer im Bett lag. Das Zimmer hatte die eindringlich melancholische Aura eines nahezu ständig unbenutzten Raumes, in dem ein paar persönliche, wahllos verteilte Dinge tapfer, aber vergeblich darum kämpften, ihm einen Anstrich von Bewohntheit zu verleihen. Die Atmosphäre würde ihn auf jeden Fall in Kürze nach draußen treiben. Aber zuvor galt es, noch etwas anderes zu erörtern. Geoffrey wußte aus langer Erfahrung, daß ein inneres Zwiegespräch, so zielbewußt es auch geführt wurde, sich meist in Belanglosigkeit, Abschweifung und Chaos erschöpft; ihm war allerdings nicht ganz klar, daß es einem Mann unmöglich ist, klar und vernünftig über eine Frau nachzudenken, wenn er im Bett liegt. Seine folgenden Gedankengänge gerieten daher aus dem Lot und waren größtenteils nicht der Rede wert. Allerdings stand an ihrem Ende die Einsicht, daß es, selbst wenn er in Frances verliebt war, höchst zweifelhaft schien, ob sie auch in ihn verliebt war; daß er das herausfinden mußte; und daß der Morgen nach
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