Heiliger Bimbam – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)
man jeden Quadratzentimeter der Kathedrale abgesucht, aber ohne Ergebnis; Geoffrey hatte das Gefühl, daß er diese groteske Suche mit Taschenlampen sein Lebtag nicht vergessen würde. Und jetzt sollte die Kathedrale die ganze Nacht hindurch bewacht werden – und die Durchsuchung am nächsten Morgen fortgesetzt werden. Denn falls dort niemand noch immer in der Falle saß, wie ließe sich dann erklären …?
Er schreckte auf, als Fen ihn ansprach. »Haben Sie es der Tochter gesagt?«
Geoffrey schluckte. »Ja; sie war hier in der Küche. Sie – hat gar nichts gesagt. Und ich wußte auch nicht, was ich sagen sollte.«
»Und die Mutter?«
Der Inspektor hob beklommen die Schultern. »Kanonikus Spitshuker ist zu ihr gegangen. So war es wohl am besten.« Einen Moment lang schwiegen alle. »Morgen müssen wir natürlich mit ihr sprechen – wir müssen mit jedem sprechen.«
Fen sagte:
»Sie haben vorhin von Grabraub gesprochen. Wurde einer der Särge geöffnet?«
»Nein, nein, Sir«, erwiderte der Inspektor. »Soweit wir sehen konnten, nicht. Aber das muß ja nichts heißen.« Er setzte sich und sagte dann unvermittelt und frei heraus: »Ich habe nicht die blasseste Ahnung, was hier vor sich geht.«
»Ich habe vage Vermutungen«, sagte Fen. Er schenkte sich Whisky nach. »Aber die ganze Sache strotzt derart von Problemen, daß man gar nicht weiß, wo man anfangen soll. Nehmen wir zum Beispiel das Offensichtliche. Alle Türen waren verschlossen, und in keiner steckte ein Schlüssel, weder innen noch außen. Niemand außer Peace war dort, als wir angekommen sind. Niemand in der Kathedrale, als wir sie durchsucht haben (und es konnte auch niemand raus, während wir auf den Schlüssel warteten). Dadurch scheint wohl ausgeschlossen, daß jemand die Grabplatte auf den armen Mann gestoßen hat. Und überhaupt, in Gottes Namen, welcher Mörder läßt denn eine tonnenschwere Grabplatte herausnehmen, klettert in das Wandgrab, läßt die Platte wieder an Ort und Stelle anbringen und hockt dort, bis sein Opfer zufällig vorbeikommt? Das ist verrückt.«
»Was ist mit den Vorhängeschlössern passiert?« fragte Geoffrey.
»Kommen Sie mir jetzt nicht mit Belanglosigkeiten«, sagte Fen streng. (»Wir haben sie alle auf einem Haufen in einer Ecke gefunden«, erklärte der Inspektor rasch.)
»Hören Sie mir überhaupt zu«, brummte Fen, »oder nicht? Ich erwarte von niemandem, daß er meine Vorlesungen in Oxford besucht, obwohl ich mich weiß Gott redlich bemühe, sie interessant zu gestalten, und es ist nicht meine Schuld, daß ich über so einen Unfug reden muß wie –« Er bremste sich abrupt. »Was wollte ich sagen?«
»Nichts Besonderes.«
Fen schoß böse Blicke in die Runde. »Nun, dann sagen Sie doch mal etwas. Nein«, sagte er hastig, weil ihm plötzlich etwas einfiel, »sagen Sie um Himmels willen nichts. Ich möchte wissen, wieso Ihre Leute ihren Posten verlassen haben, Garratt.«
Der Inspektor stöhnte unglücklich auf. »Sie haben eine maschinengeschriebene Nachricht erhalten, unterschrieben von mir (natürlich ist es ein Kinderspiel, meine Unterschrift zu fälschen), in der stand, daß sie auf der Stelle ins Auto steigen und mich in Luxford treffen sollten, ein Dorf zirka fünfzehn Meilen von hier. Und weg waren sie, diese Schwachköpfe. Sie sind gerade erst zurückkommen.«
»Aber wer hat ihnen denn diese Nachricht gegeben?«
»Tja – das ist das Merkwürdigste daran. Es war Josephine Butler – die jüngere Tochter von Dr. Butler.«
Fen stieß einen lauten Pfiff aus. »Sieh an, sieh an!« sagte er. »Jetzt wird es interessant. Und wer hat sie ihr gegeben?«
»Das wissen wir noch nicht. Aber sie hat dem diensthabenden Sergeant gesagt, ein Polizist hätte sie ihr gegeben.«
»Ein Polizist!« entfuhr es Fen verblüfft. »Sie leiden doch wohl nicht an Zerstreutheit, Garratt?« fügte er mit öliger Freundlichkeit hinzu. »Sie haben die Nachricht nicht selbst geschickt?«
»Nein, natürlich nicht«, sagte der Inspektor gereizt. »Das ist doch das Eigenartige daran. Wieso sollte jemand meine Leute loswerden wollen, um einen unmöglichen Mord zu begehen?«
»Das liegt doch wohl auf der Hand«, warf Geoffrey ein. »Der Täter wollte freie Bahn haben, um das wegzuschaffen, was immer er auf die Bischofsgalerie gebracht hatte.«
»Luzide«, sagte Fen.
Geoffrey ignorierte die Bemerkung. »Man könnte meinen, daß die beiden Dinge in keinem Zusammenhang stehen. Der Tod des Praecentors könnte ein Unfall sein –
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