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Heiliger Zorn

Heiliger Zorn

Titel: Heiliger Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
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es erst dann, wenn sie nicht mehr an Bord der ’duci ist.«
    »Gut.« Ich hob mein Glas und prostete ihm zu.
    »Also? Wer ist es?«
    »Wie bitte?«
    »Für wen machen Sie den Radar? Die Yak? Die Gangs der Tang-Lagune? Die Sache ist so…«
    »Ari, ich meine es ernst.«
    Er sah mich blinzelnd an. »Was?«
    »Denken Sie nach. Wenn ich zu einer Ermittlungseinheit der Yak gehören würde und Sie solche Fragen stellen, wären Sie bald ziemlich real tot.«
    »Ach, Blödsinn. Sie werden mich nicht töten.« Er stand auf, beugte sich über den Tisch und sah mir ins Gesicht. »Sie haben nicht die Augen für so was. Das weiß ich.«
    »Wirklich?«
    »Ja. Außerdem…« Er ließ sich auf seinen Stuhl zurückgleiten und gestikulierte lässig mit seinem Glas. »Wer soll diesen Kahn in den Hafen von Newpest schippern, wenn ich tot bin? Die ’duci ist nicht wie diese KI-Babys der Safran-Linie, müssen Sie wissen. Von Zeit zu Zeit braucht sie menschlichen Zuspruch.«
    Ich zuckte die Achseln. »Ich schätze, ich könnte jemanden aus der Besatzung einschüchtern, um Ihre Rolle zu übernehmen. Indem ich den Leuten als Anreiz Ihre verkohlte Leiche zeige.«
    »Keine schlechte Idee.« Er grinste und griff wieder nach der Flasche. »Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Aber wie ich schon sagte, Sie haben es nicht in den Augen.«
    »Anscheinend sind Sie schon vielen begegnet, die wie ich sind, was?«
    Er füllte unsere Gläser nach. »Mann, ich selbst war mal wie Sie. Ich bin genauso wie Sie in Newpest aufgewachsen, und genauso wie Sie war ich mal Pirat. Hab Routen ausgeraubt, mit den Sieben-Prozent-Engeln. Irgendwelches Zeug, Skimmer-Fracht, die über die Lagune hereinkam.« Er hielt inne und sah mir in die Augen. »Ich wurde geschnappt.«
    »So ein Pech.«
    »Ja, so ein Pech. Sie nahmen mir das Fleisch und lagerten mich drei Jahrzehnte lang ein. Als ich wieder rauskam, hatten sie für mich nichts anderes zum Sleeven als den Körper irgendeines ausgebrannten Methjunkies. Meine Familie war inzwischen aufgewachsen oder weggezogen oder, na ja, einige waren gestorben oder so. Ich hatte eine Tochter, sieben Jahre alt, als ich reinging, und sie war zehn Jahre älter als der Sleeve, den ich trug, als ich wieder rauskam. Sie hatte ihr eigenes Leben und eine eigene Familie. Selbst wenn ich gewusst hätte, wie ich eine Beziehung zu ihr aufbauen soll, hätte sie nichts mehr von mir wissen wollen. Ich war in ihren Augen nur eine dreißigjährige Lücke. Genauso war es mit ihrer Mutter, die sich einen anderen Typen gesucht und mit ihm Kinder hatte, na ja, Sie wissen ja, wie das so läuft.« Er leerte sein Glas, erschauderte und starrte mich aus Augen an, in denen plötzlich Tränen standen. Er goss sich ein neues Glas ein. »In den Jahren nach meiner Einlagerung starb mein Bruder bei einem Gondelabsturz. Keine Versicherung, keine Möglichkeit zum Resleeven. Meine Schwester wurde eingelagert und sollte erst zwanzig Jahre nach mir wieder rauskommen. Es gab da noch einen weiteren Bruder, der in dieser Zeit geboren wurde, und ich wusste nicht, was ich zu ihm sagen sollte. Meine Eltern waren getrennt, er starb zuerst, nahm seine Resleeving-Versicherung in Anspruch, war wieder jung und begann irgendwo ein neues Leben als freier Single. Wollte nicht auf sie warten. Ich habe sie regelmäßig besucht, aber sie hat die ganze Zeit nur aus dem Fenster gestarrt, mit diesem Lächeln im Gesicht, als wollte sie sagen: Bald, schon bald bin ich an der Reihe. Ich fand es verdammt unheimlich.«
    »Also sind Sie zu den Engeln zurückgekehrt.«
    »Gut geraten.«
    Ich nickte. Es war nicht geraten, sondern nur der gemeinsame Nenner des Lebens von einem Dutzend Bekannten aus meiner eigenen Jugendzeit in Newpest.
    »Ja, die Engel. Sie hatten mich wieder, und sie waren ein oder zwei Stufen höher hinaufgestiegen. Es waren noch einige der Leute dabei, mit denen ich früher zu tun gehabt hatte. Sie schnappten sich Hoverlader auf den Millsport-Routen. Gutes Geld, aber da ich mit einem methsüchtigen Sleeve lebte, brauchte ich es auch. Ich war zwei oder drei Jahre dabei. Und wurde wieder geschnappt.«
    »Aha?« Ich gab mir Mühe, leicht überrascht zu blicken. »Und wie lange diesmal?«
    Er grinste wie jemand, der zu nahe vor einem Feuer stand. »Fünfundachtzig.«
    Wir saßen eine Weile schweigend da. Schließlich goss Japaridze noch eine Runde ein und nippte von seinem Glas, als würde er den Whisky eigentlich gar nicht mögen.
    »Diesmal hatte ich sie alle verloren. Vom

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